Wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Erhöhung der Versorgungssicherheit mit kritischen Gütern
Publikation im Rahmen des Projekts "Increasing resilience and security of supply of production post-COVID-19: from global to regional value chains?"
Werner Raza / Jan Grumiller / Hannes Grohs / Verena Madner / Stefan Mayr / Iryna SaucaWien, November 2021
Neben vielen anderen Auswirkungen hat die COVID-19-Pandemie die Verwundbarkeit der globalen Wertschöpfungsketten bei medizinischen Gütern und Pharmazeutika offengelegt. Vor allem in den ersten Monaten nach Ausbruch der Pandemie im Februar/März 2020 wurde in den Medien häufig über Lieferengpässe bei Gesichtsmasken, Schutzausrüstung, Atemschutzmasken und ähnlichen Produkten berichtet. Regierungen und öffentliche Einrichtungen in der Europäischen Union (EU) hatten Mühe, die für die Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Gesundheitssysteme erforderlichen Mengen dieser Güter zu beschaffen. Die Weltmarktpreise für diese Waren sind in die Höhe geschnellt, und in einigen Fällen entsprachen die eingegangenen Bestellungen nicht den erforderlichen Qualitätsstandards. Wenngleich die Engpässe in der Versorgung je nach Produktgruppen durchaus mit unterschiedlichen Faktoren zu tun hatten, war unbestreitbar, dass Engpässe auch durch die stark globalisierte Struktur der Produktion, und hier vor allem durch stark regional konzentrierte und auf wenigen Unternehmen beruhenden Produktionsstandorte begründet waren.
Im vorliegenden Bericht werden konkrete Vorschläge gemacht und Optionen aufgezeigt, welche der europäischen und österreichischen Wirtschaftspolitik zur Verfügung stehen, um die Versorgungssicherheit mit kritischen Produkten zu erhöhen. Dabei kann die Erhöhung der Resilienz globaler Lieferketten durch die Entschärfung von Beschaffungsengpässen und die Förderung der geografischen Diversifizierung, wie sie in der laufenden wirtschaftspolitischen Debatte wiederholt vorgeschlagen wurde, ein Teil der Lösung sein. Eine wesentliche Schlussfolgerung ist allerdings, dass dies nicht ausreichen wird. Die verschärften geopolitischen Rivalitäten, die schwache Institutionalisierung multilateraler Regulierungen sowie die historischen Erfahrungen staatlichen Handelns während früherer Krisenepisoden zeigen, dass die Verantwortung für das Management der Versorgungssicherheit letztlich bei den politisch verantwortlichen Institutionen auf europäischer und nationaler Ebene liegt. Daher muss eine stärker regional verankerte Produktion als ein wichtiges Element in jeder Strategie zur Stärkung der Versorgungssicherheit, auch in der Europäischen Union, mitreflektiert werden.
Der Bericht diskutiert drei zentrale wirtschaftspolitische Instrumentarien, die für eine Stärkung der Versorgungssicherheit von kritischen Gütern zur Verfügung stehen: (i) der Ausbau unternehmerischer Sorgfaltspflichten, (ii) der Ausbau strategischer Lagerhaltung, sowie (iii) drei Maßnahmen zur Stärkung lokaler Produktion, nämlich die Rückverlagerung von Produktion, den Ausbau von Reservekapazitäten, und den Einsatz öffentlicher Beteiligungen. Dabei werden jeweils die wirtschaftlichen Vor- und Nachteile erläutert, der Beitrag zur Erhöhung der Versorgungssicherheit und zur Regionalisierung von Produktion eingeschätzt, sowie die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Umsetzung konkreter Maßnahmen untersucht. Der Bericht zeigt dabei insbesondere auf, welche politischen Handlungsspielräume das Unionsrecht bzw. das nationale Recht im Bereich der Subventionen, des öffentlichen Beschaffungswesens, der strategischen Lagerhaltung, sowie des Auf- und Ausbaus lokaler Produktion eröffnen.
Eine Veröffentlichung im Rahmen des Projekts "Increasing resilience and security of supply of production post-COVID-19: from global to regional value chains?"