Aktueller Kommentar Oktober 2025

Kakaopreise explodieren, wenige Konzerne profitieren

Bernhard Tröster

Kakaopreise explodieren, Schokolade wird teurer. Aber wer verdient daran wirklich? Ein Blick in die globale Kakao-Wertschöpfungskette zeigt, wie ungleich Macht, Risiko und Gewinn verteilt sind.

Von Bernhard Tröster (ÖFSE)

Schokolade ist für die meisten Menschen in Österreich und Europa etwas Alltägliches. Auch bei vielen unserer Feste und Traditionen – etwa jetzt vor Nikolaus oder Weihnachten –  ist Schokolade kaum wegzudenken. Doch Schokolade ist längst mehr als nur Genuss: Zum einen ist sie Symbol für die Inflation und für die Tricksereien von Lebensmittelkonzernen geworden (Stichwort: „Shrinkflation“), zum anderen steht sie wie kaum ein anderes Produkt für die Ungleichheiten in globaler Wertschöpfungsketten. Der starke Preisanstieg von Kakao und Schokolade seit 2023 zeigt exemplarisch, wie ungleich die Verteilung von Risiken und Gewinnen entlang der Wertschöpfung ausfällt. Zugleich lassen sich aus dieser Entwicklung wichtige Lehren für die Debatte um steigende Lebensmittelpreise ziehen.

Preisschock am Kakaomarkt

Die Weltmarktpreise für Kakao haben sich seit Anfang 2023 vervielfacht. Von etwa 2.500 US-Dollar pro Tonne stieg der Preis 2024 zeitweise auf über 10.000 US-Dollar, das historisch höchste Niveau. Ursache dafür waren schlechte Ernten in den wichtigsten Kakao-Anbauländern Ghana und Côte d’Ivoire, die zusammen rund zwei Drittel des Weltangebots stellen. Klimawandelbedingte Dürren, Pflanzenkrankheiten und überalterte Plantagen haben die Produktion um mehr als zehn Prozent verringert.

Gleichzeitig wächst die globale Nachfrage nach Schokolade, insbesondere in Asien und Lateinamerika. Dieses Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage hat die Börsenplätze, an denen die Weltmarktpreise für Kakao im Zusammenspiel von Spekulation und Preisabsicherung bestimmt werden, in extreme Bewegung versetzt. Dadurch sind nicht nur die Preise gestiegen, sondern auch die Preisschwankungen (Volatilität) haben deutlich zugenommen. Erst die Aussichten auf leicht bessere Erträge in der aktuellen Erntesaison haben die Preise seit Anfang des Jahres wieder unter 6.000 US-Dollar sinken lassen.

Wer profitiert wirklich?

Die Frage ist, wer von diesen Preisdynamiken tatsächlich profitiert. Die Kakao- und Schokoladenwertschöpfungskette ist stark in den Händen weniger Akteure. Vier (!) internationale Händler kontrollieren rund 80 % des weltweiten Kakaohandels und übernehmen einen großen Teil der Weiterverarbeitung selbst. Die dabei entstehenden Zwischenprodukte gehen an die globalen Schokoladenhersteller, unter denen ebenfalls nur wenige Unternehmen dominieren: Die sieben größten Konzerne halten fast zwei Drittel des Weltmarkts. Am Ende der Kette stehen die Supermärkte, die sich in Österreich auf wenige Handelsketten aufteilen.

Sie alle erzielen die größten Gewinnspannen in der Wertschöpfungskette. Ihnen gegenüber stehen Millionen Kleinbäuer*innen, die nur einen geringen Anteil vom Endpreis der Schokolade bekommen und die trotz Preisexplosion weiterhin unter der Armutsgrenze von zwei Dollar pro Tag leben müssen.

Dank Markmacht stabil

Die Dominanz der führenden Unternehmen zeigt sich weniger daran, dass sie exorbitante Gewinne erzielt hätten, sondern vielmehr daran, dass sie ihre Gewinnspannen selbst in turbulenten Zeiten stabil halten oder leicht ausbauen können. Ihre Profite sind weitgehend unabhängig vom Preisniveau und den Schwankungen der Rohstoffmärkte.

Dies gelingt zum einen durch Preisabsicherungssysteme (Hedging) an Rohstoffbörsen, mit denen sich Unternehmen gegen Preisschwankungen wappnen. Diese Termingeschäfte sind besonders für die internationalen Händler wichtig, die dadurch ihre Margen im operativen Geschäft erhalten, auch wenn sie kurzfristig durch hohe Liquiditätsanforderungen unter Druck geraten. Zum anderen können große Schokoladenhersteller ihre gestiegenen Kosten über höhere Verkaufspreise an den Einzelhandel weitergeben, der sie wiederum an die Konsument*innen weiterreicht.

Viele kleinere Schokoladenhersteller verfügen jedoch nicht über diese Verhandlungsmacht und geraten dadurch in wirtschaftliche Schwierigkeiten, bis hin zur Insolvenz. Das stärkt die Position der marktbeherrschenden Konzerne weiter.

Freude und Ernüchterung in Anbauländern

Steigende Kakaopreise sind grundsätzlich positive Nachrichten für Kakaobäuer*innen. In Ländern ohne strikte Preisregulierungen – etwa in Nigeria, Kamerun oder Ecuador – konnten diese in der letzten Saison kurzfristig deutlich höhere Einnahmen pro Tonne Kakaobohnen erzielen.

Die größten Kakaoproduzenten, Côte d’Ivoire und Ghana, nutzen jedoch staatliche Preisstabilisierungsprogramme mit einem jährlichen Mindestpreis, der den Bäuer*innen beim Verkauf ihrer Ernte garantiert wird. Ein weiteres strategisches Ziel der beiden Länder ist es ihre Angebotsmacht besser zu nutzen. Im Jahr 2019 wurde daher ein Living Income Differential (LID), ein Aufschlag von 400 US-Dollar pro Tonne auf den Weltmarktpreis, eingeführt, der das Einkommen der Erzeuger*innen erhöhen sollte.

Mit dem extremen Preisanstieg stoßen diese Systeme jedoch an ihre Grenzen. Viele Exportverträge wurden im Voraus zu niedrigeren Preisen abgeschlossen, sodass die Behörden die aktuellen Marktpreise nicht vollständig weitergeben können. Erst jetzt kam es zu einer deutlichen Anhebung der Erzeugerpreise. Von der Höchstpreisphase der letzten Saison blieben die Bäuer*innen in Côte d’Ivoire und Ghana ausgeschlossen, was zu wachsender Unzufriedenheit und einem Vertrauensverlust gegenüber den Stabilisierungssystemen führte.

Noch fehlen tiefgreifende Untersuchungen ob und in welchem Ausmaß die Bäuer*innen in den jeweiligen Ländern unter dem Strich tatsächlich profitieren konnten. Die gesunkenen Erntemengen sowie gestiegene Kosten für Dünger, Energie und Arbeitskräfte könnten die positiven Preiseffekte wieder abschwächen.

Am Ende noch mehr Ungleichheit?

Der aktuelle Preisanstieg bei Kakao und Schokolade zeigt, wie einige wenige Akteur*innen durch ihre Instrumente und Marktmacht ihre Profite in Nahrungsmittelbereich sichern und sogar ausbauen können, während die Produzent*innen der Rohstoffe nur begrenzt vom Preisboom profitieren. Hier fehlt es an Transparenz über die Gewinnverteilung entlang vieler Wertschöpfungsketten im Nahrungsmittelbereich. Solche Informationen wären notwendig, um die Akteure mit der größten Marktmacht zu identifizieren und ihren Einfluss auf Verbraucherpreise besser zu verstehen.

Entlang der gesamten Kette werden die Ungleichheiten besonders deutlich: Die Gewinne der dominierenden Handels- und Herstellungsunternehmen bleiben langfristig stabil, während die Konzentration in der Branche weiter zunimmt. Nur ein kleiner Teil der Bäuer*innen profitiert kurzfristig. Die Preisstabilisierungssysteme in den westafrikanischen Anbauländern stehen deshalb in der Kritik, könnten sich bei sinkenden Weltmarktpreisen jedoch wieder als vorteilhaft erweisen, da sie den Bäuer*innen dann ein höheres Mindesteinkommen sichern.

Für Maßnahmen um diese Wertschöpfungsketten gerechter und nachhaltiger zu machen ist auch die Erkenntnis über das Konsumverhalten wichtig. Schokolade wird als emotionales Produkt betrachtet, dessen Nachfrage auch bei höheren Preisen nur wenig sinkt. Diese höheren Einnahmen müssen gerechter entlang der Kette verteilt werden. Beispiele für faire Gewinnverteilung gibt es bereits bei nachhaltigen Geschäftsmodellen. Ziel muss es sein, wirtschaftliche Ungleichheiten und die daraus folgenden sozialen und ökologischen Probleme des Sektors – etwa Kinderarbeit und Entwaldung – zu verringern.

Dr. Bernhard Tröster ist Senior Researcher an der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).
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