Entwicklungspolitische Kohärenz
Zu den erweiterten politischen Rahmenbedingungen für mehr Wirksamkeit in der Entwicklungszusammenarbeit
Michael ObrovskyWien, Februar 2007

Der Maastrichtvertrag zur Schaffung der Europäischen Union (1992) bildet die gesetzliche Grundlage für die Verankerung von entwicklungspolitischer Kohärenz (PCD - Policy Coherence for Development), die allerdings erst mit der Erklärung der Millennium Development Goals (2000) tatsächlich als wichtiges Element der internationalen Entwicklungspolitik entdeckt und aktiviert wurde. Trotz der Bemühungen einiger weniger Länder der EU sowie der konkreten Schritte der Verankerung der PCD-Agenda auf Kommissions- und Rats-Ebene sind die EU und ihre Mitgliedsländer noch von einer entwicklungspolitisch kohärenten Politik weit entfernt. Obwohl PCD in den Grundsatzdokumenten der Entwicklungspolitik der EU-Mitgliedsländer Eingang gefunden hat, gehen viele Bemühungen über Mechanismen der allgemeinen Politikkoordination kaum hinaus. PCD ist - mit Ausnahme von Schweden - im Kompetenzbereich der Entwicklungspolitik und ihrer Verwaltung verankert und nicht gemeinsames Anliegen aller Regierungsmitglieder. PCD steht daher vielfach in Konkurrenz zu anderen politischen Interessen und wird von den Regierungen nicht als gemeinsame Verpflichtung in einem globalen Kontext wahrgenommen, sondern nur als ressortübergreifende Zielsetzung der Entwicklungspolitik. Die PCD relevanten Ratsbeschlüsse auf EU-Ebene, die von den EU-Mitgliedsländern mitgetragen werden sollten, müssten daher auf einer hohen politischen Ebene umgesetzt werden, damit sie auch für alle anderen entwicklungsrelevanten Politikbereiche zur Verpflichtung werden. PCD ist nicht nur eine Querschnittsaufgabe, die vom für Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit zuständigen Ministerium verfolgt werden soll, sondern sollte auf Ebene der Regierungschefs bzw. des Ministerrates verankert werden.
Mit dem Arbeitsprogramm "Policy Coherence for Development 2006-2007" der EU-Kommission werden die EU-Mitgliedsländer erstmals aufgefordert, konkrete Maßnahmen zu setzen und an einem Fortschrittsbericht mitzuwirken. Die politischen Zusagen werden operationalisiert und in einzelne Schritte gegliedert, die in einem gemeinsam vereinbarten Zeitraum zu erfüllen sind.
Kohärente Politik ist auch stark abhängig von den realpolitischen Möglichkeiten und den realen Kräfteverhältnissen in einem Land, dennoch ist die Umsetzung von PCD - wie das DAC betont - auch eine Frage der politischen Verbindlichkeit. Da es sich bei PCD um eine freiwillige - nicht mit finanziellen Sanktionen belegte - Zusage handelt, ist der Grad der Verbindlichkeit eher gering. Mit dem alle zwei Jahre erscheinenden Fortschrittsbericht versucht die Kommission daher die Verbindlichkeit zu erhöhen und die Regierungen der Mitgliedsländer an ihre Verpflichtungen zu erinnern.
Die Umsetzung entwicklungspolitischer Kohärenz ist auch abhängig von entsprechenden finanziellen und personellen Ressourcen, die sich mit der Analyse, der Koordination und dem Ausgleich von verschiedenen Interessen vor dem Hintergrund entwicklungspolitischer Zielsetzungen auseinandersetzen können und PCD aktiv verfolgen. In diesem Sinn sind fehlende personelle Ressourcen im Bereich der Entwicklungspolitik bzw. fehlende Instrumente zur Schaffung von kohärenter Politik per se ein Ausdruck einer nicht kohärenten Politik.
Policy Coherence for Development ist besonders im Hinblick auf das MDG Ziel 8 - Schaffung einer globalen Partnerschaft für Entwicklung - von Bedeutung. Die EU nimmt für sich in Anspruch, ein wichtiger Akteur in der internationalen Entwicklungspolitik und ein wichtiger Partner der Entwicklungsländer zu sein, fehlende entwicklungspolitische Kohärenz bei den EUMitgliedsländern ist jedenfalls kein Indiz für die Ernsthaftigkeit der EU, mit der die globale Partnerschaft verfolgt wird. PCD ist jedoch eine Grundvoraussetzung für die Schaffung einer globalen Partnerschaft.
Gleichzeitig ist PCD ein strategischer Ansatz, mit dem die Millenniumsziele schneller und besser erreicht werden sollen. Während die Pariser Deklaration vor allem Effizienzsteigerung durch eine Harmonisierung der EZA-Aktivitäten und die Anpassung an die Strategien der Entwicklungsländer erreichen möchte, kann mit PCD durch einen erweiterten politischen Handlungsspielraum das Potential zur Effizienzsteigerung vergrößert werden. Ohne verstärkte Bemühungen zur Umsetzung des Konzepts Policy Coherence for Development bleibt die Pariser Erklärung ein auf die Optimierung der Entwicklungszusammenarbeit beschränktes Verfahren, dessen Grenzen bereits durch das Fehlen des gemeinsam verbindlichen politischen Rahmens abgesteckt sind.
Institutionelle Bemühungen um die Stärkung von PCD - vor allem auf der Ebene der EU - hängen letztlich vom politischen Willen der Mitgliedsländer ab, sich an der konkreten Umsetzung sowohl auf nationaler als auch auf multilateraler Ebene zu beteiligen. Zahlreiche Beschlüsse des Rates für allgemeine Angelegenheiten und Außenbeziehungen (GAERC) dokumentieren dass PCD als wichtige Maßnahme zur Erreichung der MDGs erkannt wurde, die Berücksichtigung der entwicklungspolitischen Zielsetzungen in anderen Politikbereichen wird von den Regierungen solange als vernachlässigbarer Faktor ausgeblendet, bis der Verfolg der Zielsetzungen der Entwicklungspolitik als notwendige Maßnahme einer gemeinsamen globalen Strukturpolitik und einer gemeinsamen politischen Verantwortung anerkannt wird.