Aktueller Kommentar Februar 2020

ADA Evaluierung 2019 – eine Chance zur Umsetzung evidenzbasierter Politik


Die im Jahr 2019 durchgeführte und nunmehr publizierte „Institutionelle Evaluierung der Austrian Development Agency (ADA)“ zeigt eine Reihe von institutionellen Defiziten auf, die ein effizientes und effektives Arbeiten der österreichischen Entwicklungzusammenarbeit (OEZA) behindern. Die ADA „befindet sich an ihren Leistungsgrenzen und riskiert ohne Gegenmaßnahmen erhebliche Reputations- und Geschäftsrisiken“. Der entwicklungspolitischen Sektion im BMEIA fehlen laut Evaluierung ExpertInnen, Fachwissen und Kapazitäten, um strategische Steuerungsfunktionen effektiv wahrnehmen zu können. Wenn Evaluierung als Chance für Lernen begriffen wird, dann hat die Bundesregierung jetzt die Möglichkeit, den Kernbereich der österreichischen EZA auf solidere Beine zu stellen.

Von Michael Obrovsky (ÖFSE), Februar 2020

Diskrepanz zwischen sinkender Finanzierung und steigenden Anforderungen

Die OEZA – als Akronym für die beiden entwicklungspolitischen Akteure BMEIA und ADA – wird seit Jahren als entwicklungspolitisch gestaltbarer Kernbereich der gesamten öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit Österreichs (ODA) ausgewiesen, der zwar klein, aber fein sei. Die vorliegende Evaluierung geht auf das Regierungsprogramm 2017-2022 der türkis-blauen Regierung zurück, in dem das Bekenntnis zu einer effizienten Entwicklungszusammenarbeit mit einer „Überprüfung der strategischen Ausrichtung und der Hebung von Effizienzpotenzialen zwischen der ADA und dem BMEIA“ untermauert wurde. Gegenstand der Untersuchung war „der institutionelle OEZA-Aufbau mit Schwerpunkt auf einer Bewertung der institutionellen Voraussetzungen der ADA für die effektive und effiziente Erreichung der entwicklungspolitischen Ziele“ während des Zeitraumes 2008 bis 2018. Die Ergebnisse der im Februar 2020 veröffentlichten Institutionellen Evaluierung relativieren sowohl die Qualität der strategischen Vorgaben durch das BMEIA, als auch die Modellfunktion der ADA als ausgelagerte Agentur und zeigen, dass die Diskrepanz zwischen seit 2008 sinkender Finanzierung und steigenden internationalen und nationalen Anforderungen in den letzten 10 Jahren dramatisch zugenommen hat.

Empfehlung 1 von 5: adäquate Finanzierung sicherstellen

Das mit internationalen Experten besetzte Evaluatorenteam formuliert fünf Empfehlungen, die sowohl an die Bundesregierung, als auch an das Management der ADA adressiert sind, um entwicklungspolitische Zielsetzungen effektiver erfüllen zu können.

Die erste Empfehlung lautet: Adäquate Finanzierung sicherstellen und Planungssicherheit erhöhen. Das Team begründet diese Empfehlung einerseits mit dem realen Rückgang der Basisfinanzierung der ADA, da seit 2008 keine Inflationsanpassung erfolgt ist. Demgegenüber sind die Anforderungen an die ADA sowie die Komplexität der Aufgaben angestiegen – als Beispiele seien genannt: SDG-Umsetzung, AKF-Abwicklung, EU-Projekte, GCF – Global Climate Fund Projekte, und die umfangreichen Vor-Ort Aufgaben der Koordinationsbüros. Eine Erhöhung der Basismittel und ein Mehrjahresbudget könnten zu einer verbesserten Planungssicherheit der ADA beitragen.

Empfehlung 2: Strategie für Drittmittelgeschäft erarbeiten und Organisation anpassen

Als Reaktion auf die stagnierenden Einnahmen hat die ADA ab 2009 ihr Engagement zur Erlangung von Drittmitteln ausgebaut. Angesichts der ausbleibenden Budgetmittel konnte die ADA damit einen höheren Umsatz ausweisen, mit dem die Gründung und Fortführung der Agentur legitimiert werden konnte. Erinnert sei daran, dass die Gründung der ADA 2004 nicht zuletzt mit der geplanten Erhöhung der öffentlichen EZA-Mittel für die ADA auf EUR 200 Millionen gerechtfertigt wurde, ein bis zum heutigen Tag bei weitem nicht erreichtes Ziel. Besonders wichtig im Kontext dieser neuen Tätigkeiten sind hier die Projekte der Delegierten Kooperation der EU sowie die Akkreditierung der ADA beim Green Climate Fund (GCF). Da bei diesen Projekten die ADA als Durchführungs- und nicht als Fördereinrichtung fungiert, werden von ihr andere organisatorische und inhaltliche Fähigkeiten und Kompetenzen verlangt, für die die MitarbeiterInnen aber nicht bzw. zu wenig ausgebildet sind. Der Bewerbungs- und Vorbereitungsprozess für die Drittmittelprojekte ist aufwändig und kostenintensiv, ohne dass hierfür budgetäre Vorsorge getroffen wurde. Ein interessanter Punkt ist auch, dass laut Evaluierung das Drittmittelgeschäft im Rahmen der Delegierten Kooperation der EU nicht kostendeckend ist. Da die EU nur maximal 7% an administrativen Kosten abdeckt, der Aufwand bei der ADA jedoch bei 10,24% liegt, schießt die ADA bei der Abwicklung von EU-Projekten Finanzmittel aus ihrer ohnehin zu geringen Basisabgeltung zu. Die Evaluatoren empfehlen daher zweitens, eine Strategie für das Drittmittelgeschäft zu entwickeln und die Organisation entsprechend anzupassen.

Empfehlung 3: Unternehmenskultur und Personalmanagement weiterentwickeln

Die dritte Empfehlung beruht vor allem auf der Analyse der Arbeitsbedingungen in der ADA. Die zunehmende Belastung, die durch die prekäre Finanzsituation und die gestiegenen Anforderungen entstand wurde „durch hohen Arbeitseinsatz und Flexibilität von MitarbeiterInnen ausgeglichen“. Da dies nur für eine bestimmte Übergangsphase möglich ist, haben relativ viele MitarbeiterInnen gekündigt. Die relativ hohe Personalfluktuation führte zu Arbeitsüberlastungen, zu fehlendem Wissenstransfer und zu Frustrationen beim Stammpersonal. Das Evaluationsteam diagnostizierte daher „die Gefahr einer sinkenden Attraktivität“ der ADA als Arbeitgeberin. Die dritte Empfehlung ist daher vor allem an das ADA-Management gerichtet.

Empfehlung 4: strategische Steuerung im BMEIA stärken

Die strategische Steuerung durch die Sektion VII des BMEIA bestimmt weitgehend die Arbeit als auch die Handlungsspielräume der ADA, daher widmet sich die vierte Empfehlung der Analyse der Optimierung der strategischen Steuerung durch das BMEIA. Hier wird wieder einmal festgestellt, dass – bedingt durch das Rotationsprinzip der DiplomatInnen und das Fehlen von dauerhafter Beschäftigung von einschlägigen ExpertInnen – ein ständiger Wissensverlust zu verzeichnen ist, der die Formulierung von strategischen Vorgaben auf Basis langjähriger Expertise behindert. Durch den Mangel an angemessenen eigenen Budgets für Fort- und Weiterbildung, Dienstreisen sowie für den Zukauf von externer Expertise verfügt die Sektion über zu geringe Mittel, um diese Funktion auch adäquat wahrnehmen zu können. Ein großes Effizienzpotenzial zur Verbesserung der strategischen Steuerung sehen die AutorInnen des Evaluierungsberichtes in der Erhöhung der Kohärenz der OEZA mit anderen Politikfeldern. Die konkrete Umsetzung wird aber eher skeptisch beurteilt. „Um eine einheitliche ODA sicherzustellen, fehlen die Räume und Prozesse zum Ausverhandeln der Zielsetzungen unterschiedlicher Ressorts, die einen starken Einfluss auf die Erreichung der EZA-Ziele haben.“ Interessant ist hier der Hinweis auf Finnland, das als Beispiel für Österreich bei der Umsetzung von Policy Coherence for Sustainable Development (PCSD) dienen könnte.

Empfehlung 5: Stärkung der Koordinationsbüros

Die fünfte Empfehlung betrifft die Organisation und die Kooperation mit den Koordinationsbüros (KOBÜs) der OEZA. Auch hier wurde – im Vergleich zu anderen Ländern – ein Missverhältnis zwischen den Aufgaben und der personellen Ausstattung der KOBÜs festgestellt. Darüber hinaus erweist sich die zentrale Verwaltung und Steuerung der KOBÜs als Hindernis. Lokale Anforderungen benötigen oftmals mehr Flexibilität und mehr Eigenverantwortung, die aber durch Vorgaben aus der Zentrale in Wien eingeschränkt wird. Die Empfehlung Nummer fünf lautet daher, die dezentralen Kompetenzen der KOBÜs zu stärken und ihre Kapazitäten auszubauen.

Fazit: Der Lackmustest für das Bekenntnis zu fundierten Evaluierungen sind die Budgetverhandlungen

Evaluierungen dienen in erster Linie als Grundlage für Lernprozesse und somit auch für politische und institutionelle Entscheidungsprozesse. Die Empfehlungen der Evaluierung richten sich in erster Linie an die Bundesregierung, die mit dem Budget die Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Umsetzung einer effizienten und effektiven Entwicklungszusammenarbeit sowohl im BMEIA als auch in der ADA fördern kann. Beim Budget kann die Bundesregierung zeigen, dass Entwicklungszusammenarbeit eine Verpflichtung der gesamten Bundesregierung ist. Durch die Gründung der ADA im Jahr 2004 hat die Bundesregierung auch die Verantwortung übernommen, adäquate Mittel und Kapazitäten zur Verfügung zu stellen, um eine effektive Arbeit zu gewährleisten. Die systemischen Kapazitätsprobleme im BMEIA wie auch der steigende Leistungsdruck in der ADA waren seit Jahren bekannt. Die Ergebnisse der Evaluierung haben sie aber in aller Deutlichkeit offengelegt und verlangen eine entsprechende politische Reaktion und konkrete budgetäre Anpassungen. Angesichts der laufenden Budgetverhandlungen kommt die Publikation der Evaluierung daher gerade noch zur rechten Zeit. Die Bundesregierung hat einmal mehr die Chance, ihr Bekenntnis zur evidenzbasierten Politik bis März einzulösen.

Dr. Michael Obrovsky, Stellvertretender Leiter der ÖFSE
Arbeitsschwerpunkte: Österreichische und internationale Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, Zivilgesellschaft und Entwicklung
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