Aktueller Kommentar Mai 2020

ODA Quote von 0,7% im Jahr 2092? Trotz Erhöhung des EZA-Budgets keine Aussicht auf Erreichung der internationalen Verpflichtungen

Obwohl im Bundesbudget 2020 die Mittel für den Auslandskatastrophenfonds (AKF) um € 10 Mio. und die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) um € 11,9 Mio. erhöht werden, bleibt bei den Strukturproblemen der EZA alles beim Alten. Die Erhöhung ist weder ein substanzieller Beitrag zur absehbaren Erreichung der ODA Quote von 0,7% des BNE, noch kann die Regierungsrhetorik über das strukturelle Problem der Fragmentierung der österreichischen EZA hinwegtäuschen.

Von Michael Obrovsky (ÖFSE), Mai 2020

ODA Quote von 0,7% erst in 72 Jahren ….

Die Erhöhung der Budgetansätze des BMEIA für den Auslandskatastrophenfonds (AKF) von € 15 Mio. auf € 25 Mio. und für die Austrian Development Agency von € 102,5 Mio. auf € 114,4 Mio. ist durchaus zu begrüßen, da sie den konkreten Handlungsspielraum bei der Humanitären Hilfe und bei der EZA vergrößern. Insgesamt sind sie aber nur ein kleiner Schritt in die richtige Richtung, da die Erhöhung nur einen sehr geringen Beitrag zur Erreichung der österreichischen ODA Quote leisten wird. Geht man von einem Bruttonationaleinkommen (BNE) von € 403 Mrd. im Jahr 2019 aus und kalkuliert bedingt durch die COVID-19 Krise einen Rückgang von 7% für das Jahr 2020, dann wird das BNE Österreichs 2020 bei rund € 375 Mrd. liegen. Eine Steigerung um € 21,9 Mio. erhöht die ODA Quote daher aufgerundet um 0,006%. Der in der Presseaussendung der Parlamentskorrespondenz aus Anlass der Beratung des Budgetkapitels Äußeres im Budgetausschuss publizierte Satz: „Damit soll das langfristige Ziel einer ODA Quote von 0,7% des Bruttonationaleinkommens erreicht werden“ ist daher nicht nachvollziehbar. Eine Steigerung der ODA Quote von 0,006% pro Jahr würde bedeuten, dass die international zugesagte ODA Quote von 0,7% erst nach 72 Jahren und damit im Jahr 2092 erreicht werden würde.

ODA Quote von 0,39% für 2020 nur bei Entschuldung erreichbar

Die Ankündigung, dass die österreichische ODA Quote – laut Budgetunterlagen – im Jahr 2020 auf 0,39% des BNEs ansteigen wird, beruht auf einem Prognoseszenario, bei dem Entschuldungen in der Höhe von € 562 Mio. veranschlagt werden. Diese Entschuldungen wurden aber bereits im Prognoseszenario 2017–2022 jeweils für die Jahre 2018 bis 2020 angekündigt, ohne dass sie realisiert worden wären. Auch wenn der Pariser Club, der über internationale Entschuldungen entscheidet, Beschlüsse fällen sollte, die es Österreich ermöglichen, Entschuldungen in der ODA-Statistik zu melden, zeigt die ODA-Statistik der vergangenen Jahre, dass es sich hier um Einmaleffekte handelt. Entschuldungen führen zwar zu einem kurzfristigen Ansteigen der ODA Quote. Diese fällt aber im Folgejahr wieder auf den ursprünglichen Wert zurück, wenn nicht zusätzlich andere Budgetmittel zur Verfügung gestellt werden.

Keine Steigerung der Beiträge an internationale Organisationen

Der Budgetentwurf sieht für die Beiträge an internationale Organisationen insgesamt € 94,8 Mio. vor, wobei € 10 Mio. als Vorsorge für das Wechselkursrisiko vorgesehen sind. Das ergibt im Vergleich zum Jahr 2019 – ohne Wechselkursrisiko – ein Minus von rund € 3 Mio. Diese Kürzung steht einerseits im Widerspruch zu den Aussagen der Bundesregierung, den Multilateralismus stärken zu wollen und andererseits zur Tatsache, dass Wien nicht nur UN-Amtssitz ist, sondern dass Österreich weitere internationale Organisationen in Österreich ansiedeln möchte. Wenn Außenminister Schallenberg etwa vor der UN-Sicherheitskonferenz betont, dass „Multilateralismus in unserer DNA liege“, dann lässt sich auch angesichts der COVID Krise, die die Wichtigkeit der internationalen Kooperation deutlich vor Augen geführt hat, die Stagnation bei der Finanzierung der multilateralen Einrichtungen nicht nachvollziehen. Aus einer entwicklungspolitischen Perspektive fällt auf, dass Beiträge zu UN-Einrichtungen wie UNDP, UNICEF, UNRWA, UNIFEM, UNHCR stagnieren. Dies steht ebenso im Widerspruch zu den im Regierungsprogramm festgehaltenen multilateralem Engagement Österreichs. Dort heißt es: „Globale Probleme brauchen globale Lösungen. Österreich bringt sich und seine Interessen und Positionen aktiv in internationalen Organisationen ein und positioniert sich als verlässlicher Partner im Multilateralismus…“.

Die Finanzierung multilateraler Programme über den AKF – wie dies Bundeskanzler Kurz sehr öffentlichkeitswirksam mit einer Verdoppelungsaktion der „Nachbar in Not“ Spenden für Syrien vorgeführt hat – führt nicht zu einer Steigerung der notwendigen Pflichtbeiträge für die multilateralen Einrichtungen. Die privaten Spenden für die Aktion Nachbar in Not sind keine öffentlichen Mittel und können daher auch nicht als ODA angerechnet werden. Die Stiftung Nachbar in Not hat erwartet, dass zumindest ein Teil der Mittel der Bundesregierung an die Mitgliedsorganisationen von Nachbar in Not gehen wird und von diesen in Syrien eingesetzt werden kann. Ihre Enttäuschung über das Vorgehen der Regierung hat sie in einer Pressekonferenz zum Ausdruck gebracht. Die Höhe der Auszahlung für Programme von multilateralen Organisationen (UNHCR, UNICEF, WHO) in Syrien von der Höhe der privat aufgebrachten Spenden abhängig zu machen, kann daher nur als PR-Aktion der Bundesregierung angesehen werden. Ein Schelm, wer meint, dass damit wohl die sinkenden Kernbeiträge Österreichs zu den multilateralen Organisationen kaschiert werden sollen.

Es braucht ein größeres EZA-Budget …

Blickt man beispielsweise auf das Budget 2020 des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in Deutschland, dann zeigt sich, dass das BMZ mit € 10,8 Mrd. für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fast 50 mal mehr als das BMEIA für EZA und internationale Organisationen budgetiert hat. Da das gesamte BMZ-Budget auch den Europäischen Entwicklungsfonds (EDF) und die internationalen Finanzinstitutionen (IFIs) beinhaltet, nehmen wir für den Vergleich mit dem EZA-Budget des BMEIA nur die Ansätze für die bilateralen Programme und die internationalen Einrichtungen des BMZ, da der EDF und die IFIs in Österreich in die Kompetenz des BMF fallen. Hier entfallen auf das BMZ in Deutschland immer noch € 5,5 Mrd. während das BMEIA nur rund € 234 Mio. budgetiert hat. Während aufgrund der wirtschaftlichen Größendifferenz als Verhältniszahl zwischen Österreich und Deutschland normalerweise 10 verwendet wird, beträgt diese bei der Entwicklungszusammenarbeit rund 23. Deutschland erreichte 2019 auch 0,60% des BNE als ODA Quote, während Österreich bei 0,27% lag.

…. und einen Stufenplan zur Erreichung des ODA-Ziels

Ohne konkreten Stufenplan und ohne Konzentration der verschiedenen Instrumente und Budgets der internationalen Entwicklungspolitik und -zusammenarbeit in einem Ministerium mit einer übergreifenden Strategie für eine globale nachhaltige Entwicklung wird sich die ODA Quote von 0,7% des BNE in Österreich auch langfristig nicht erreichen lassen. Bereits Mitte der 1980er-Jahre wurde von der österreichischen Bundesregierung die Erreichung der ODA Quote bis zum Ende der Dekade zugesagt. Mangels konkreter, verpflichtender Budgetplanung blieb und bleibt diese Zusage allerdings ein leeres Versprechen. Daran werden auch ambitioniert formulierte Presseaussendungen, kreative Verdoppelungsaktionen der Bundesregierung oder vage Prognoseszenarien nichts ändern. Angesichts der COVID-19 Krise und der absehbaren desaströsen Folgen für die Länder des globalen Südens wäre das von den entwicklungspolitischen und humanitären Organisationen geforderte COVID-19 Rettungspaket in der Höhe von € 100 Mio. ein glaubwürdiges Zeichen, um die ODA Quote ernsthaft erreichen zu wollen.

Dr. Michael Obrovsky, Stellvertretender Leiter der ÖFSE
Arbeitsschwerpunkte: Österreichische und internationale Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, Zivilgesellschaft und Entwicklung
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