Aktueller Kommentar Februar 2025

Warum Österreich dem Anti-EZA-Trend nicht folgen sollte

Foto (c) Philine Zech Photography

Radikale Kürzungen bei den USA und anderen EZA-Gebern hinterlassen eine humanitäre und politische Lücke. Diese bietet Österreich eine Chance für außenpolitische Profilierung.

Von Lukas Schlögl und Werner Raza (ÖFSE), Februar 2025

Winds of change…

Der internationalen Entwicklungszusammenarbeit weht ein rauer Wind entgegen. Einige wichtige westliche Geberländer reduzieren derzeit ihre Entwicklungsleistungen empfindlich -- allen voran die Vereinigten Staaten, in denen die Behörde USAID zum Kollateralschaden eines irrwitzigen „Bürokratieabbaus“ wurde. Aber auch die Niederlande haben infolge einer Regierungsbeteiligung der rechtspopulistischen Partij voor de Vrijheid (PVV) nachhaltig den Rotstift angesetzt; Deutschland und Großbritannien kürzen ebenfalls – allerdings von hohem Niveau. Und die Aktivitäten des Palästinenserhilfswerks UNRWA sind seit dem Boykott der Organisation durch Israel und die USA stark eingeschränkt.

Nachahmer des Anti-EZA-Kurses werden nicht lange auf sich warten lassen. Der kanadische Oppositionsführer Pierre Poilievre kündigte bereits an, die EZA „dramatisch“ zu kürzen und stattdessen eine Militärbasis in der Arktis zu finanzieren, sollten die Konservativen nach den Wahlen an die Macht kommen. Insgesamt scheint das große Nachkriegsprojekt der gemeinsamen Aufbauarbeit westlicher Geberländer in aller Welt mitsamt seinen Institutionen stärker denn je in Frage gestellt.

Mitte letzten Jahres argumentierten wir mit Blick auf Österreich: „Besonders eine weitere Regierung unter Beteiligung der FPÖ könnte die EZA vor dem Hintergrund drängender Budgetkonsolidierung mit Kürzungen und/oder einem politischen Kurswechsel konfrontieren. Und damit die bisherige Rolle Österreichs als stabiler Partner radikaler in Frage stellen als dies bisher geschehen ist.“ Tatsächlich forderte die FPÖ laut den publik gewordenen Verhandlungsprotokollen eine „grundlegende Reform der Entwicklungshilfe“ und das „Bekenntnis zu einer deutlichen Reduktion der österreichischen Beiträge an internationale Organisationen“. Eine Beteiligung der FPÖ ist nach den gescheiterten Koalitionsverhandlungen derzeit vom Tisch. Aber sind es die EZA-Kürzungen?

„Adjustment in Development Aid“

Die zur Diskussion stehende Budgetkonsolidierung in Österreich ist eine Gefahr für Ermessensausgaben jeglicher Art und zu diesen zählt auch die EZA. In Brüssel ist ein Brief des österreichischen Finanzministers deponiert, der neben anderen Kürzungsposten ein „adjustment in development aid“ vorsieht, um das drohende EU-Defizitverfahren abzuwenden. Wie weit dies bei den Konsolidierungsmaßnahmen einer ÖVP-SPÖ Regierung bestehen bleibt, ist offen. Klar ist aber: Während die Gefahr weltanschaulich motivierter Kürzungen gebannt scheint, bleibt die budgetäre Gefahr aufrecht.

Hinsichtlich des Sparpotenzials ist es dabei hilfreich, sich zu vergegenwärtigen, dass EZA einen sehr kleinen Teil der Staatsausgaben ausmacht. Das Kacheldiagramm unten zeigt den letzten Bundeshaushalt nach Untergliederungen. Der gesamte Bereich „Äußeres“ belief sich 2024 auf gerade einmal ein halbes Prozent des Gesamthaushalts. Davon die Hälfte waren EZA-Ausgaben des Außenministeriums (d.h. Austrian Development Agency, Auslandskatastrophenfonds und Beiträge an UN und ähnliche Organisationen). Darüber hinaus enthält die graue Kachel im Diagramm rechts unten vom Finanzministerium dotierte Beiträge Österreichs an Internationale Finanzinstitutionen (wie die Weltbank) und zum EZA-Budget der Europäischen Union. In Summe belaufen sich die gesamten konventionellen EZA-Ausgaben – von Kosten der Flüchtlingsbetreuung und Studienplatzkosten einmal abgesehen, die die OECD in gewissem Umfang ebenfalls als EZA gelten lässt – auf weniger als ein Hundertstel des Staatshaushalts. Gesunden wird das Budget daher an Kürzungen in diesem Bereich eher nicht.

Diagramm 1. Österreichs Finanzierungshaushalt laut Budget 2024 (Auszahlungen in Millionen Euro)

Österreichs Finanzierungshaushalt laut Budget 2024
Quelle: BMF

Sparen bei Wohlstand und Sicherheit?

Dazu kommen auch indirekte Effekte, die berücksichtigt werden sollten. So befand etwa Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) kürzlich für Deutschland: “Unser Geschäftsmodell beruht auf Weltoffenheit, stabilen ausländischen Märkten und verlässlicher internationaler Zusammenarbeit. Das bedeutet: Wer in diesem Bereich [der EZA] kürzt, spart in Wahrheit gar nicht, sondern gefährdet die Grundlagen unseres Wohlstands.” Eine Studie im Auftrag der KfW kam dementsprechend letztes Jahr zum Schluss, dass jeder Dollar deutscher EZA mit einem durchschnittlichen Anstieg der deutschen Warenexporte um 0,36 USD verbunden ist. Für Österreich zeigte eine empirische Untersuchung des Schweizer IRENE Instituts und der ÖFSE aus dem Jahr 2013 sogar, dass jeder für EZA ausgegebene Euro zu einer Erhöhung des österreichischen BIP um 0,66 EUR führt.

Auch Sicherheit ist ein solcher indirekter Faktor. So findet sich im „Risikobild 2025“ des Österreichischen Verteidigungsministeriums die Empfehlung, “in Zukunft die diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu insbesondere den demokratischen Staaten des Globalen Südens auszubauen. Die Förderung und Pflege internationaler Institutionen sollte ernsthafter betrieben werden, und gezielte bilaterale Initiativen sollten die multilaterale Zusammenarbeit unterstützen. In vielen Politikbereichen gibt es dazu Chancen, von Klimaanpassung und -finanzierung (…) bis hin zum gesamten Spektrum der Entwicklungszusammenarbeit”. Vor diesem Hintergrund ist es umso verwunderlicher, dass die letzte Bundesregierung den gesetzlich vorgesehenen Beschluss eines Dreijahresprogramms der Entwicklungspolitik 2025-2027 grundlos verschleppt hat.

Lücke füllen

Wer soll die EZA-Lücke füllen, die USAID und Co hinterlassen? Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas winkt bereits ab: Die EU könne die USA auf diesem Gebiet nicht – oder jedenfalls nur unter bestimmten Bedingungen – ersetzen. Das riskiert, das Feld anderen Akteuren wie China zu überlassen. Stattdessen könnten die EU und Österreich den Dialog mit anderen Geberländern suchen und ein Angebot machen, Teile des EZA-Einbruchs zumindest temporär abzufangen -- etwa dort, wo Schwerpunktländer der österreichischen EZA betroffen sind. Das wäre ein starkes außenpolitisches Signal. Und eines mit dem Potenzial hoher politischer Umwegrentabilität. Schließlich liegt die Stärke der EU und auch von Österreich in ihrer Soft Power, das heißt, ihrer Bereitschaft zu internationaler Kooperation auf Augenhöhe und im gegenseitigen Interesse. Sich jetzt als verlässlicher Partner zu präsentieren, birgt nicht nur die Chance auf neue politische Allianzen, sondern wird der EU wie Österreich auch wirtschaftliche Vorteile bringen, nicht zuletzt den Zugang zu dringend benötigten kritischen Rohstoffen.

Das von der ÖVP in den Verhandlungen mit der FPÖ eingeforderte Bekenntnis zu Europa wie auch die Notwendigkeit einer wirtschaftlichen wie politischen Weltoffenheit könnte sich mit einer entwicklungspolitischen Offensive jetzt praktisch beweisen. Gewiss, Österreichs Möglichkeiten allein sind begrenzt, aber mit einer ODA Quote von 0,38% (2023) bleibt die heimische EZA im Vergleich zum Durchschnitt der west- und nordeuropäischen EU-Länder von 0,66% deutlich unter ihren Möglichkeiten. Angesichts der sich derzeit dramatisch zuspitzenden geopolitischen Veränderungen eröffnen sich gerade für kleinere Akteure neue Möglichkeiten. Diese nicht zu ergreifen, weil jetzt gespart werden muss, wäre politisch wie ökonomisch kurzsichtig.