Aktueller Kommentar Jänner 2017

2017 – Jahr der Trendwende in der OEZA?

Eine Trendwende wäre möglich. Dafür braucht es neben mehr Geld aber vor allem eine fundierte Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der EZA als Mittel der Migrationsbekämpfung, und einen gesamtstaatlichen Ansatz zur Umsetzung der SDGs.

Michael Obrovsky (ÖFSE), Jänner 2017

OEZA Mittel steigen

Mit der Beschlussfassung des Budgets 2017 am 24.11.2016 im Parlament hat laut Aussendung des BMEIA vom 18. November 2016 - für die Entwicklungszusammenarbeit eine Trendwende begonnen.
BM Sebastian Kurz hat dazu im Budgetausschuss des Parlaments  erklärt:

 "Die letzten Monate haben gezeigt, wie wichtig die Bereiche Entwicklungszusammenarbeit und Integration auch für uns in Österreich sind. Dafür wurden nun die nötigen zusätzlichen Mittel zur Verfügung gestellt. Die Verdoppelung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit bis 2021 ist eine Trendwende. Unser Ziel ist es, die Lebensbedingungen der Menschen zu verbessern, um ihnen vor Ort Perspektiven zu geben.“

Damit bezieht sich BM Kurz auf die Hauptargumentationslinie, mit der Budgetsteigerungen für das BMEIA in den Verhandlungen mit dem Finanzministerium erreicht wurden. Diese Argumentationslinie findet sich im Budgetbericht 2017 und in der aktualisierten Version des Dreijahresprogramms der österreichischen Entwicklungspolitik 2016 – 2018. Dort heißt es dazu: „So ist es immer wichtiger geworden, mit Entwicklungszusammenarbeit mittelfristig auch einen Beitrag zur Bekämpfung der Ursachen von Migration zu leisten. Die Förderung von Frieden, Sicherheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratisierung und Entwicklung ist gerade in Post-Konfliktländern und -regionen unverzichtbar, um den Wurzeln von Radikalisierung, gewaltbereitem Extremismus und terroristischer Rekrutierung entgegenzuwirken.“

Migrationsabwehr als Ziel?

Mit der Beschlussfassung der aktualisierten Version des Dreijahresprogramms wird die Verknüpfung von Entwicklungszusammenarbeit und Migrationsreduktion zur Regierungsposition erhoben. Sowohl die geographischen Schwerpunktsetzungen als auch die KooperationspartnerInnen der österreichischen Entwicklungspolitik werden durch die neuen Akzente verändert:  „Die österreichische EZA ist ……vor allem im Nahen und Mittleren Osten und in Subsahara Afrika mit Programmen in den Bereichen nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und einkommensschaffende Maßnahmen, Bildung, Ernährungssicherheit, Frieden/ Sicherheit/ Menschenrechte tätig. Diese Maßnahmen sollen sowohl der lokalen Bevölkerung als auch Binnenflüchtlingen und Rückkehrern zugutekommen.“

Die Junktimierung der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit mit der Rücknahme von MigrantInnen durch die jeweiligen Empfängerländer der EZA – wie sie in den Medien kolportiert wurde– findet sich wenngleich in  diplomatischer Formulierung auch im aktualisierten Dreijahresprogramm: „Dabei ist auch die funktionierende Anwendung von Rückübernahmeabkommen mit Österreich zu berücksichtigen.“

Die mediale Botschaft der Bundesregierung ist somit eindeutig:  Entwicklungszusammenarbeit soll dazu beitragen, Ursachen für Migration zu beseitigen und de-facto den Migrationsdruck nach Österreich zu verhindern. Sie wird vorzugsweise an jene Regierungen vergeben, die Rückübernahmeabkommen mit Österreich schließen bzw. einhalten.

Dass hinter dieser Akzentsetzung vorwiegend innenpolitische Motive stehen, darauf haben KommentatorInnen, nicht zuletzt Annelies Vilim von der Globalen Verantwortung, mehrfach hingewiesen.  Die Hauptargumente gegen diese Ausrichtung der EZA sind:

  • Das Hauptziel der Entwicklungszusammenarbeit ist die Bekämpfung der Armut –„und auf längere Sicht die Beseitigung von Armut. Wenn Österreich nun unwilligen Regierungen ….Geldmittel streicht, leiden darunter die Ärmsten der Armen.“ (Vilim 2016)
  • Die zentralen Herkunftsländer der MigrantInnen (Afghanistan, Syrien, Irak) sind nicht die Schwerpunktländer der österreichischen EZA.
  • Die Erwartungen an die EZA hier kurzfristig die Ursachen für Migration zu beseitigen sind nicht realistisch. Die empirischen Befunde der Migrationsforschung deuten darauf hin, dass zumindest in armen Ländern wirtschaftliche Entwicklung Migration eher befördert als verringert

Darüber hinaus sind die bilateralen Leistungen der österreichischen EZA an Regierungen zu gering, um hier tatsächlich politisch Druck ausüben zu können. Auch die Verknüpfung von EZA-Leistungen mit Rückübernahmeabkommen auf EU-Ebene  verspricht keinen Erfolg. Die Migrationspartnerschaften der EU zum Stopp der illegalen Migration mit Mali, Niger, Nigeria, Senegal und Äthiopien sind– wie der Afrikanist Robert Kappel zeigt – „nicht gut durchdacht“ und sogar „unehrenhaft“, da man Abkommen mit autoritären Regierungen unterstützt, die selbst gegen die eigene Bevölkerung Repressionen ausüben. "In den meisten Ländern, aus denen die Menschen fliehen, funktioniert der Staat nicht." Daher tragen die finanziellen Leistungen der EU auch nicht zu einer Verbesserung der humanitären Situation der Flüchtlinge in diesen Staaten bei.

Im öffentlichen Diskurs über die Ausrichtung der österreichischen EZA – der vorwiegend über die Medien ausgetragen wird – fehlt bislang eine seriöse Diskussion, ob und unter welchen Bedingungen die EZA zur Bekämpfung der Ursachen von Migration beitragen kann und  ob dafür die zur Verfügung gestellten Mittel ausreichen werden.

SDGs als gesamtstaatlicher Ansatz notwendig

Bezieht man die angekündigte Trendwende auf die finanzielle Dimension der österreichischen Leistungen, dann muss festgehalten werden, dass es unbestritten ist, dass mit der Aufstockung des Budgets des BMEIAs durch BM Kurz für die Jahre 2017 – 2021 ein erster Schritt in die richtige Richtung gesetzt wurde. Auch wenn die Aufstockung der Mittel in Relation zur gesamten ODA Österreichs für eine wirkliche Trendwende zu gering ausfällt, besteht aber dennoch ein Potenzial für Fortschritte, sofern das für die Koordinierung der österreichischen Entwicklungspolitik zuständige BMEIA proaktiv:

a) die Frage diskutiert, wie die zusätzlichen Mittel in den nächsten Jahren eingesetzt werden sollen. Es handelt sich immerhin bis zum Jahr 2021 um (kumuliert) rund 230 Mio. € mehr als im Jahr 2016. Angesichts des Umstandes, dass die bisherigen Schwerpunktländer der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit jeweils mit nur wenigen Millionen Euro dotiert sind, könnte eine Steigerung der verfügbaren Mittel zu einem stärkeren Engagement in den historisch gewachsenen Schwerpunktländern, und auf diese Weise zu einer Steigerung der Relevanz der österreichischen Beiträge führen. Sowohl eine stärkere Konzentration der Mittel als auch eine allfällige Veränderung bei den Schwerpunktländern der österreichischen OEZA sollte in einem gesamtösterreichischen Kontext stattfinden und mit allen Akteuren diskutiert werden. Sowohl die Prinzipien der Resultatsorientierung als auch der Transparenz sollten die Aufstockung der Mittel begleiten, damit die OEZA nicht mit Erwartungen konfrontiert wird, die sie nicht erfüllen wird können;

b) Entwicklungszusammenarbeit weiter denkt und die Umsetzung einer umfassenden, gesamtstaatliche Entwicklungspolitik – im Sinne der Sustainable Development Goals - SDGs – als gesamtstaatliche Aufgabe der Bundesregierung angeht. Wenn das Thema Nachhaltigkeit (ÖVP) bzw. Energiewende (SPÖ) derzeit in den Parteien an Bedeutung gewinnt, dann sind diese Themen auf einer globalen Ebene stark mit Entwicklungspolitik verknüpft und müssen im Sinne der SDGs auch in einem globalen Kontext gedacht werden;

c) gemeinsam mit dem BKA gesamtstaatliche Strategien und Programme  zur Umsetzung der globalen Trendwende, die bereits bei der UN-Generalversammlung im September 2015 - mit österreichischer Zustimmung - beschlossen wurde -  formuliert und diese sowohl öffentlich als auch im Parlament diskutiert. Neben einem klaren Bekenntnis der Bundesregierung zu den Sustainable Development Goals  braucht es konkrete  Strategien und Pläne zur Umsetzung der SDGs in Österreich;

d) gemeinsam mit dem BKA geeignete Strukturen und Koordinationsmechanismen auf einer politisch relevanten Ebene für eine kohärente Politik zur Umsetzung der SDGs schafft.

Fazit

Einige Millionen mehr für das EZA Budget im BMEIA sind zwar begrüßenswert, können aber alleine kurzfristig weder Migrationsursachen reduzieren noch eine Trendwende einleiten. Obwohl der finanzielle Beitrag der Entwicklungszusammenarbeit einen wichtigen Aspekt darstellt, ist das Thema globale Entwicklung eine politische Aufgabe, die nicht primär mit Entwicklungszusammenarbeit zu lösen sein wird. Die Sustainable Development Goals bieten hier einen Referenzrahmen, der tatsächlich zu einer nachhaltigen Trendwende führen kann.

Dr. Michael Obrovsky, Stellvertretender Leiter der ÖFSE
Arbeitsschwerpunkte: Österreichische und internationale Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, Zivilgesellschaft und Entwicklung

mehr Information zu Michael Obrovsky