Aktueller Kommentar Jänner 2019
EU-Afrika Forum: Pop-Up Inszenierung oder Paradigmenwechsel in den EU-Afrika Beziehungen?
Das High-Level Forum Africa-Europe am 18. Dezember 2018 in Wien wurde als das entwicklungspolitische „Highlight“ der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft angesehen. Mit Hilfe der Verknüpfung von Digitalisierung, Wirtschaft und Entwicklung sollten die europäischen Beziehungen mit Afrika auf ein „neues Level“ gehoben und die unwirksame alte „Entwicklungshilfe“ überwunden werden. Ohne vernünftiges Follow-Up wird dies aber nicht gelingen.
Michael Obrovsky (ÖFSE), Jänner 2019
Sowohl ….
Das Forum wurde medial begleitet mit der Botschaft eines positiven Bildes von Afrika, wo wirtschaftliches Wachstum und Arbeitsplätze unter anderem mit Hilfe von Digitalisierung generiert werden können und sich dadurch Chancen für europäische Investoren ergeben. Andererseits wurde auch das Konzept der „alten Entwicklungshilfe“ zum Beispiel in der Tageszeitung Die Presse als „teuerster Fehlschlag der Geschichte“ bezeichnet und massive private Investitionen für Afrika gefordert (Die Presse: 21.12.2018).
Diese „Neuorientierung“ ist zwar grundsätzlich begrüßenswert, da sie die dringende Notwendigkeit einer Neugestaltung der Beziehungen zwischen Europa und Afrika in den Mittelpunkt politischer Diskussion stellt und versucht, die Beziehungen zwischen der EU und Afrika positiv zu konnotieren. Es stellt sich jedoch die Frage, ob eine Neuorientierung das Ende der „klassischen Entwicklungshilfe“ und einen Neuanfang mittels Wirtschaftskooperationen und Investitionen bedeutet, oder ob es nicht ein kluges „sowohl als auch“ braucht, um die Ziele der globalen Nachhaltigen Entwicklung umzusetzen.
….wirtschaftliche Entwicklung
Jene wirtschaftsliberalen Ansätze, die einen Paradigmenwechsel in massiven europäischen Investitionen verorten, übersehen, dass das Konzept der Entwicklungshilfe seit Beginn an eng mit wirtschaftlicher Entwicklung verknüpft war und ein großer Teil der internationalen Entwicklungsfinanzierung entweder als bilaterale Kredite oder über Internationale Finanzinstitutionen und Entwicklungsbanken als langfristigere Infrastrukturkredite zur Verfügung gestellt wurde. Investitionen waren ebenfalls immer Bestandteil der Entwicklungsfinanzierungsinstrumente, sie zählen allerdings aus gutem Grund nicht zur „klassischen öffentlich finanzierten Entwicklungshilfe“ (vgl: Atwood, J. Brian et al. 2018), sondern fallen in die Kategorie der privaten Finanzflüsse, die zu Marktbedingungen vergeben werden. Entsprechende öffentliche Förderungen von Exporten oder Investitionen in sich entwickelnde Länder fallen unter Begrifflichkeiten wie Außenhandelsförderungen oder Foreign Direct Investment (FDI). Es war aber bereits in den 1960er-Jahren klar, dass es massiver finanzieller Anstrengungen sowohl bei den öffentlichen als auch bei den privaten Entwicklungsfinanzierungsinstrumenten bedürfe. Während die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen weit hinter den internationalen Zusagen und Zielsetzungen blieben, waren die privaten Finanzflüsse von extremen Schwankungen gekennzeichnet, da sie von den Rahmenbedingungen der Weltwirtschaft und den Finanzmärkten stark beeinflusst waren.
Spätestens seit dem Financing for Development-Gipfel in Monterrey im Jahr 2002 war es gemeinsames Verständnis der Industrieländer, dass die Millennium Development Goals (MDGs) nur mit einem breiten Bündel an Maßnahmen zu finanzieren sind und dass vor allem die Involvierung der Privatwirtschaft dringend erforderlich sei. Weder der Monterrey Konsensus und somit breitere Entwicklungsfinanzierungsinstrumente (innovative Finanzierungsquellen wie bspw. Tobin Tax, Kerosinsteuer u.a.), noch die quantitativen Zielsetzungen der Entwicklungsfinanzierung wurden von den Industriestaaten ernsthaft verfolgt. Gemeinsame Initiativen innerhalb des Development Assistance Committee (DAC) für eine stärkere Harmonisierung und Wirkungsorientierung der Entwicklungszusammenarbeit der Geber wurden zwar im DAC beschlossen, aber nicht konsequent umgesetzt. Aktuelle europäische Ansätze, die mit Hilfe von „blending“ EZA-Budgets stärker dafür einsetzen möchten, die Risiken von Privatinvestitionen abzufedern, um damit mehr Investitionen nach Afrika zu lenken, setzen auf einen externen “Push-Effekt“, der rasch zu mehr Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Afrika führen soll. Die Effekte von FDI hängen aber maßgeblich davon ab, ob es gelingt, Linkages zur lokalen Wirtschaft zu schaffen, Technologie und Know-how zu lokalen Unternehmen zu transferieren und sog. Upgrading-Prozesse hin zu produktiver und innovativer Produktion zu befördern. Dafür braucht es eine breite Palette von unterstützenden Maßnahmen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA), vor allem aber auch die Förderung der absorptiven Kapazitäten der afrikanischen Empfängerländer. Dazu finden sich in den einschlägigen Dokumenten der EU Kommission und nationaler Geber bislang nur sehr spärliche Ausführungen.
…als auch Entwicklungszusammenarbeit
Klar ist auch, dass die Verwendung von öffentlichen EZA-Mitteln für Maßnahmen zur Mobilisierung privater Finanzflüsse zusätzlich erfolgen sollte, da man sonst Gefahr läuft, das Budget für das primäre Ziel der Entwicklungszusammenarbeit – nämlich der Armutsreduktion – weiter abzugraben. Nach dem Auslaufen der MDGs und der Beschlussfassung der Sustainable Development Goals (SDGs) im Jahr 2015 sind die Entwicklungsziele auf ein globales universelles Level angehoben worden und somit noch umfassender und komplexer geworden. Das Auslaufen des bisherigen vertraglichen Rahmens der Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika (Cotonou Abkommen) sowie der massive Ausbau der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen China und Afrika erfordern eine strategische Neupositionierung Europas. Diese sollte aber auf den Erfahrungen und Lernprozessen der Vergangenheit aufbauen und nicht einfache Lösungsversprechen machen, deren Erfolgsaussichten zweifelhaft sind.
…tragen zur globalen nachhaltigen Entwicklung bei
Die stärkere Verknüpfung von Entwicklung und Wirtschaft ist weder neu noch ein Paradigmenwechsel. Diese Forderungen wurden bereits in den 1960er-Jahren erhoben und mit dem Monterrey Konsensus beim ersten Gipfeltreffen zur Frage der Finanzierung der MDGs wiederholt. Vielmehr sollten diese Erfahrungen und Beschlüsse analysiert und weiterverfolgt werden. Konkret bedeutet dies etwa die Umsetzung der Addis Ababa Action Agenda for Financing Sustainable Development vor allem im Bereich der systemischen Fragen (Verbesserung der Kohärenz und Konsistenz des internationalen Finanz- und Handelssystems). Dieser Anspruch findet sich auch im Ziel 17 der SDGs (Umsetzungsmittel stärken und die Globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen).
Follow up entscheidend!
Konkrete Konzepte für eine Neuorientierung der EU-Afrika Beziehungen sind beim EU-Afrika Forum am 18. Dezember 2018 nicht präsentiert worden. Vielmehr wurden verschiedene Themenfelder (Landwirtschaft, Fin Tech, Hochschulkooperationen, Start-ups, Arbeitsplätze, eGovernment, eCommerce, Konnektivität, Städtepartnerschaften) im Kontext von Wirtschaft und Digitalisierung neu verknüpft und andiskutiert. Wenn daraus ein Konzept – basierend auf den SDGs – für eine Neugestaltung der Beziehungen zwischen Europa und Afrika entstehen soll, dann beginnt jetzt erst der schwierige Teil der Arbeit. Richtig ist, dass die Zukunft der EU-Afrika Beziehungen neben einer partnerschaftlich ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit eine stärkere wirtschaftliche Kooperation braucht, die vor allem Beschäftigung und Einkommen in Afrika ermöglicht. Mehr Investitionen aus Europa sind dafür erforderlich, aber nicht der alleinige Königsweg. Wichtig wäre es vor allem, die europäischen Investitionen in strategische Entwicklungspläne der afrikanischen Staaten einzubetten. Daneben muss es vor allem darum gehen, europäische Politikfelder wie die Handelspolitik auf ihre entwicklungspolitische Kohärenz verstärkt zu prüfen. Europa kann die notwendigen endogenen Entwicklungsprozesse der afrikanischen Volkswirtschaften vor allem dadurch unterstützen, dass es strukturelle Barrieren aus dem Weg räumt und faire Rahmenbedingungen für internationale Wirtschaftsbeziehungen fördert. Nach der „Pop-Up Inszenierung“ des EU-Afrika Forums wird die österreichische Politik vor allem daran zu messen sein, ob sie sich für eine solche Stärkung der „Globalen Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung“ (SDG 17) einsetzt.
Dr. Michael Obrovsky ist stellvertretender Leiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).
Dr. Michael Obrovsky, Stellvertretender Leiter der ÖFSE
Arbeitsschwerpunkte: Österreichische und internationale Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, Zivilgesellschaft und Entwicklung
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