Aktueller Kommentar Jänner 2023
Hohe Inflation: Valorisierung der OEZA notwendig
Die hohe Inflation bedroht nicht nur den Lebensstandard der Menschen in Österreich, sondern verringert auch die Effektivität der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit (OEZA). Die moderate Erhöhung der OEZA-Mittel für 2023 kann den inflationsbedingten Kaufkraftverlust nicht kompensieren. Notwendig dafür wäre eine jährliche Valorisierung analog zu der für die staatlichen Sozialausgaben beschlossenen Regelung.
Von Lukas Schlögl (ÖFSE)
Inflation erhöht Armut
Das Gespenst der Inflation geht um die Welt. Laut Daten der Statistik Austria erlebte Österreich 2022 mit 8,6 % eine Teuerungsrate wie zuletzt in der Ölpreiskrise der 1970er Jahre. Die Teuerung zog vielerorts Maßnahmen wie die Anhebungen des Leitzinses, Preisdeckelungen von Basisgütern, verstärkte Sozialleistungen und Steuererleichterungen nach sich. Diese Maßnahmen erfolgten deshalb, weil Inflation den Wert von Geld erheblich schmälert. Selbst bei einer moderaten jährlichen Inflation von 3 % verliert ein Geldbetrag über 20 Jahre etwas weniger als die Hälfte seiner ursprünglichen Kaufkraft. Bei 5 % Inflation sind es bereits fast zwei Drittel. Zurecht erklärte Finanzminister Brunner daher in seiner jüngsten Budgetrede, die Teuerung bedrohe das Leben der Österreicherinnen und Österreicher. Es bedroht jedoch nicht nur das Leben dieser.
Im Kontext der Entwicklungspolitik sind die Effekte der Teuerung etwa bei der Bestimmung der internationalen Armutsgrenze relevant. 1990 führte die Weltbank die berühmten US$ 1 pro Tag (zu Kaufkraftparität) als globale Messschwelle extremer Armut ein. Sie wurden aufgrund von Inflation auf inzwischen mehr als das Doppelte, nämlich US$ 2,15, angehoben. Schlagzeilen machte die Inflation zuletzt auch wegen drastischer Preissteigerungen bei Nahrungsmitteln und Energie aufgrund des Krieges in der Ukraine, welche die Lebenserhaltung vieler Menschen in ärmeren Ländern besonders erschweren.
Inflation frisst Kaufkraft der OEZA auf
Den Armutsproblemen in den ärmsten Ländern stehen Maßnahmen gegenüber, die diese lindern sollen – insbesondere öffentliche Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance – ODA). Blickt man zurück, so erfuhren die Entwicklungsleistungen Österreichs seit dem Jahr 2000 laut Statistiken der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nominell eine mehr als zweieinhalbfache Steigerung: von EUR 477 Mio. auf EUR 1.262 Mio. im Jahr 2021. Doch sind dies echte Steigerungen? Oder frisst auch hier die Teuerung die Kaufkraft auf?
Eine Antwort auf diese Frage ist schwieriger, als es auf den ersten Blick erscheinen mag. Als Inflation wird ein nach einem typischen Warenkorb gewichteter Durchschnittswert bezeichnet, der sogenannte Verbraucherpreisindex (VPI). Die ODA setzt sich aus Waren und Dienstleistungen zusammen, die sowohl im In- und Ausland beschafft werden. Zusätzliche Komplexität ergibt sich aus dem Umstand, dass die Leistungen über unterschiedliche Träger und unterschiedliche Zeithorizonte und Finanzinstrumente abgewickelt werden.
Bereinigen wir die ODA Österreichs im Zeitraum seit 2000 auf Basis des heimischen VPI, dann haben sich die Entwicklungsleistungen seit 2000 statt auf EUR 1.262 Mio. real nur auf etwa zwei Drittel dieses Betrags (EUR 847 Mio.) gesteigert. Die oben erwähnte mehr als zweieinhalbfache Steigerung ist dann nur noch eine gut eineinhalbfache Steigerung über zwei Jahrzehnte. Dieser Berechnung liegt aber die Annahme zugrunde, dass alle ODA-Leistungen nach dem Muster eines typischen Konsum-Warenkorbs in Österreich – einem Land mit vergleichsweise geringer Inflation – beschafft werden.
Diese Annahme ist nicht zur Gänze plausibel. Es ist sinnvoll, zumindest zwischen (i) bilateralen Leistungen an Empfängerländer und (ii) multilateralen Beiträgen Österreichs an internationale Organisationen zu unterscheiden. Bei den bilateralen Leistungen lässt sich ferner zwischen Leistungen unterscheiden, die (a) in Österreich und (b) im Rest der Welt angeschafft werden. In Österreich angeschaffte Leistungen umfassen etwa Administrationskosten und Inlandsarbeit und machen – grob geschätzt – ein Fünftel der bilateralen Leistungen aus.
Für die Inflationsbereinigung könnte man nun bei den bilateralen Leistungen für diese 20 % wie zuvor den VPI Österreichs heranziehen und für den Rest beispielsweise den durchschnittlichen VPI jener Länder, in denen Österreich besonders mit öffentlich finanzierten Projekten aktiv ist[1]. Im Schnitt erlebten diese Länder mit 8 % Inflation pro Jahr eine für Entwicklungsländer typische Teuerung – die allerdings vier Mal so hoch wie jene Österreichs ist. Für die multilateralen Beiträge Österreichs könnte man eine langfristige globale Jahresinflation von 6,5 % heranziehen[2].
Eine mit diesen – sehr stark vereinfachten – Annahmen durchgeführte Inflationsbereinigung der Entwicklungshilfeleistungen Österreichs würde nahelegen, dass es seit 2000 keine realen Steigerungen gab, sondern, dass die Leistungen vielmehr mit EUR 313 Mio. im Jahr 2021 in Preisen des Jahres 2000 real um ein Drittel gesunken sind. Dies, obwohl die Kostenexplosion des Jahres 2022 hier noch keine Berücksichtigung findet.
Die präsentierte Berechnung kann nur als erste Annäherung verstanden werden: Der Warenkorb der ODA dürfte sehr speziell und wohl stark von der Auszahlung von Gehältern (KonsulentInnen, Bildungspersonal, etc.) beeinflusst sein. Vor allem aber spielen Wechselkurse in der Realität eine Rolle und kompensieren manche Effekte der Inflation in Empfängerländern: Wenn Währungen der Empfängerländer gegenüber denen der Geber abwerten, stärkt das die Kaufkraft der ODA. Die OECD gibt für Österreich auf Basis eines eigenen Preisindex – der jedoch auf fraglichen Annahmen fußt, die unserem Beispiel mit dem heimischen VPI ähneln – seit 2000 eine knappe Verdoppelung (180 %) der realen ODA-Leistungen Österreichs an.
Fazit: OEZA-Valorisierung ist notwendig
Diese ersten Versuche, den Einfluss der Inflation auf Österreichs ODA-Leistungen abzuschätzen, machen deutlich, dass das Thema mehr Beachtung in der Entwicklungspolitik verdient. In der eingangs zitierten Budgetrede lobte Finanzminister Brunner die Aufstockung der von der Austrian Development Agency (ADA) administrierten EZA-Mittel, die einen Teil von Österreichs ODA darstellen, um EUR 12 Mio. Tatsächlich geschieht diese Erhöhung im Kontext einer historisch außergewöhnlichen Inflationsperiode und dürfte bei einem veranschlagten ADA-Gesamtbudget im Jahr 2023 von EUR 137 Mio. real wohl keine gestiegene Kaufkraft, sondern eher einen Verlust derselben bedeuten.
Nicht ohne Grund entschloss sich die amtierende Bundesregierung dazu, die Sozialleistungen in Österreich in Zukunft jährlich zu valorisieren, um die Menschen im Land vor Kaufkrafteinbußen zu schützen. Die Teuerung bedroht jedoch nicht nur das Leben in Österreich, sondern auch jenes der von Armut betroffenen Menschen im Globalen Süden, die besonders auf internationale Transferleistungen angewiesen sind. Eine Regelung zur Valorisierung der OEZA-Mittel wäre daher nicht nur sinnvoll, sondern dringend nötig.
[1] Die 9 ÖEZA-Schwerpunktländer. Aufgrund einer Datenlücke werden die ersten vier Jahre für Mosambik für diese Berechnung extrapoliert.
[2] Als Datengrundlage dienen uns jeweils Schätzungen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zur Entwicklung von Konsumpreisen.