Aktueller Kommentar Juni 2025
Entwicklung ohne Finanzierung?

Inmitten international heikler Zeiten für die Entwicklungspolitik legt Österreichs Bundesregierung mit dem Dreijahresprogramm für Entwicklungspolitik 2025-27 ein ambitioniertes Strategiedokument vor. Ein Wermutstropfen bleibt dabei.
Von Lukas Schlögl (ÖFSE), Juni 2025
Kaum Erfolgschance für FfD-Konferenz in Sevilla
Es sind entwicklungspolitisch heikle Zeiten. Soeben haben sich die USA aus den Verhandlungen rund um die internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development, kurz: FfD) endgültig zurückgezogen. Die Konferenz, die Ende des Monats im spanischen Sevilla – und damit erstmals auf europäischem Boden – stattfindet, ist die vierte in einer Reihe internationaler Gipfel, die die Reform des globalen Finanzsystems vorantreiben wollen. Der Prozess begann vor mehr als 20 Jahren im mexikanischen Monterrey. Im Zentrum von FfD4 steht dieses Jahr eine breite Themenpalette: von Steuern über Schuldenarchitektur, Mobilisierung privater und öffentlicher Finanzmittel bis hin zu internationalen Handelsbeziehungen.
Der Rückzug der USA ist konsequent. Schließlich lehnt die Regierung Trump II alles ab, was an Globaler Governance, Nachhaltigkeit oder Entwicklungszusammenarbeit anstreift. Er stellt insofern eine Chance dar, als sich eine neue „Koalition der Willigen“ theoretisch zu einem ambitionierteren Beschluss durchringen könnte. Danach sieht es allerdings nicht aus. Selbst im EU-Parlament fand eine lange vorbereitete Positionierung zu FfD4 vor kurzem keine Mehrheit. Auch im Grunde gleichgesinnte Länder sind also uneins. Das Problem ist zudem, dass „Financing for Development“ ohne den bisher größten – oder wie die EU es sieht: zweitgrößten – Geber, nämlich die USA, eher nach „Development without Financing“ aussieht. Den vorläufig finalen Entwurf des Gipfeldokuments von FfD4 bezeichnen entwicklungspolitische NGOs in Österreich jedenfalls bereits jetzt als „müden“ Kompromiss.
Von den Inhalten abgesehen, wird es dennoch interessant sein, die politische Dynamik in Sevilla zu beobachten: Einerseits bestätigen die USA abermals ihren radikalen Rückzug aus dem Politikfeld, andererseits beginnen sich in der multilateralen Arena neue Allianzen zu formieren: die „EU plus“ (einschließlich UK, Kanada, Australien, Neuseeland, Schweiz) sowie China plus die G77 (eine Gruppe von Entwicklungsländern einschließlich Brasilien, Indien, Indonesien, Südafrika, Nigeria, Ägypten und Argentinien) agieren als tonangebende Blöcke, jedoch mit unterschiedlichen Ansichten: etwa zu Schuldenreform oder globalen Steuern. Es werden also derzeit neue Kapitel in der Geschichte der Entwicklungspolitik aufgeschlagen. Diese und andere Entwicklungen müssen politisch und intellektuell erst einmal verdaut werden und legen eine eingehende strategische Reflexion nahe.
Neues Dreijahresprogramm: Beschluss nach langer Vorbereitung
Es ist positiv, dass Österreichs Bundesregierung dieser Aufgabe, die die weltpolitische Lage der Außenpolitik abverlangt, nun Rechnung trägt: Ende Juni beschloss sie ein lange überfälliges neues Dreijahresprogramm der Entwicklungspolitik (3JP) – und damit ein zentrales Strategiedokument, das das Verhältnis Österreichs zum Globalen Süden zum Gegenstand hat. Bemerkenswert ist dabei, dass das Programm ohne allzu starke Abschwächungen gegenüber einem auf Fachebene vorbereiteten, interministeriell abgestimmten Entwurf beschlossen wurde, der auf populistische Spins und unsachliche Konditionalitäten verzichtet und in vielen Belangen die richtige Sprache findet. Das hat eine wohltuende, neue Qualität.
Das Programm hat eine lange Genese hinter sich. Begonnen wurden die Arbeiten daran bereits 2023 mit Konsultationen und interministeriellen Treffen. Im Frühjahr 2024 war das 3JP für einen politischen Beschluss fertig vorbereitet. Dieser blieb zur allgemeinen Verwunderung jedoch aus. Was auch immer die Gründe dafür sein mögen, das 3JP geriet in der letzten Regierungsperiode insgesamt zum politischen Spielball. Auch das frühere Programm 2022-2024 hatte sich bereits verzögert, weil es mit dem Beschluss einer Strategie für die humanitäre Hilfe junktimiert worden war.
Trotz nicht ganz einfacher Voraussetzungen wählte das federführende Team aus BMEIA und BMF bei den Vorbereitungen des 3JP 2025-2027 nicht den Weg geringsten Widerstands. Es wurde ein aufwendiger und streckenweise sicher mühsamer Prozess aufgesetzt, um stärkeren „Buy-In“ mehrerer Ministerien zu gewährleisten; das 3JP setzt sich erstmals ernsthafter mit der komplexen Frage seiner Messbarkeit auseinander; es formuliert konkretere Ziele als frühere Programme; es identifiziert Indikatoren; und es benennt Instrumente und verantwortliche Akteure klarer als bisher. Damit schränkt es Ermessensspielräume bei der Umsetzung stärker ein als es vergangene Programme mit ihrem Hang zur narrativen Beliebigkeit taten. Sogar das eingespielte Label „OEZA“ – eine nicht eindeutig abgegrenzte Bezeichnung für bilateral gestaltbare EZA-Mittel – wich einer neuen gesamtstaatlichen, EU-affinen Dachmarke namens „International Partnerships Austria“.
(Zu) viel Programm für wenig Geld?
In Summe ist es ein ambitioniertes Programm, allerdings mit einem Schönheitsfehler: der finanziellen Dotierung. Österreich verzeichnet gemessen am Bruttonationaleinkommen seit 2023 einen Rückgang seiner öffentlichen Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance, ODA), befindet sich also gewissermaßen in einer „ODA-Rezession“. Das Prognoseszenario des Finanzministeriums lässt für 2025 zwar eine leichte Steigerung der ODA-Quote erwarten, anschließend soll es jedoch weiter bergab gehen. Ob der aus heutiger Sicht nicht ganz nachvollziehbare Prognosewert für 2025 überhaupt hält, ist noch unklar. Das Doppelbudget 2025/26 sieht starke Reduktionen insbesondere der politisch gestaltbaren bilateralen Mittel vor. Das neue 3JP wird daher in mancher Hinsicht wohl „geduldiges Papier“ bleiben.
Aus inhaltlicher Perspektive wäre das Gebot der Stunde angesichts des Sparkurses eine noch stärkere Konzentration auf gemeinsame, gesamtstaatliche entwicklungspolitische Schwerpunkte. Das 3JP ist thematisch seit langem breit aufgestellt. Was den EZA-Finanzierungsanteil betrifft, werden uneingeweihte LeserInnen erstaunt darüber sein, welche Fülle an Weltproblemen die Bundesregierung mit einem gestaltbaren Budget von einem winzigen Bruchteil der Staatsausgaben in Angriff nimmt. Diese Breite bedeutet nicht nur ein Risiko von Ineffizienz, sondern weckt auch unerfüllbare Erwartungen. Eine stärkere Fokussierung täte deshalb Not. Vor allem weil diese bei sinkenden Ressourcen de facto ohnehin erfolgt – nur weniger transparent.
Auch in anderer Hinsicht ist die Fahnenstange in der Entwicklung des 3JP noch nicht erreicht. Das Thema „Kommunikation und entwicklungspolitische Bildung“ etwa bleibt im Dokument eine Baustelle. Die Finanzvorschau ist immer noch ein gewisser Fremdkörper. Auch die Gesamtstaatlichkeit ist derzeit eher noch eine Ambition, wohingegen das Programm in vieler Hinsicht ein EZA-Programm mit konventionellen geografischen und ebensolchen thematischen Schwerpunktsetzungen bleibt.
Dennoch: Das 3JP 2025-27 gibt eine neue Richtung vor, die stärker gesamtstaatlich im Anspruch und evidenzbasiert in der Methode ist. Dieser Weg könnte nun weiter beschritten werden. Wie? Dafür gibt ein gerade erschienenes Papier der ÖFSE Orientierungshilfen. Zentral ist dafür jedenfalls, dass sich die politisch Verantwortlichen nicht mit dem Erreichten begnügen, sondern weiter fortbewegen wollen.