Aktueller Kommentar Mai 2025
Bilaterale EZA: Stärkste Kürzungen der letzten 20 Jahre

Unter allgemeinem Spardruck kürzt das österreichische Außenministerium einseitig bei der Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und humanitären Hilfe. Das steht im Widerspruch zur humanitären Weltlage, zum außenpolitischen Potenzial der EZA – und auch zum Selbstverständnis der Außenministerin als Reformkraft.
Von Lukas Schlögl (ÖFSE), Mai 2025
Es ist paradox. Die Krisenherde reichen bis in die europäische Nachbarschaft hinein: Ukraine, Syrien, Gaza. Österreichs bilaterale EZA und humanitäre Hilfe engagiert sich in dieser Nachbarschaft und darüber hinaus von Moldau bis Georgien – einer fragilen Region und politisch umkämpften Einflusssphäre. Außerdem ist sie in Afrika aktiv, das angesichts von Konflikt, Armut, Demografie, Extremwetter, Fluchtursachen u.v.m. nicht minder im Fokus internationaler Geberanstrengungen stehen sollte. Sogar die Österreichische Sicherheitsstrategie pocht darauf: Österreich solle die Beziehungen zum Globalen Süden ernsthaft ausbauen.
Die Relevanz des Politikfelds ist greifbarer denn je. Und dennoch braut sich über der EZA ein perfekter Sturm zusammen. Große Geber von den USA über Großbritannien bis zu den Niederlanden ziehen sich zurück. Multilaterale EZA-Institutionen von UN bis OECD stehen unter Druck. Die politische Zeitenwende verschiebt Ausgabenprioritäten in Richtung militärischer Verteidigung. Und eine konjunkturelle Schieflage schränkt nun auch noch den finanziellen Handlungsspielraum des Staates ein.
Faire Lastenteilung?
Mitte Mai stellte Finanzminister Marterbauer das mit Spannung erwartete Doppelbudget 2025/26 vor. Demnach sollen die Ausgaben laut Finanzierungsvoranschlag für Äußeres gegenüber dem Vorjahr heuer nominell leicht steigen (+3%) und 2026 dann sinken (-5%). Ressortintern wird die Sparlast so verteilt, dass die Ausgaben für bilaterale EZA – Austrian Development Agency (ADA) plus Auslandskatastrophenfonds (AKF) -- bis 2026 gegenüber 2024 um ein Drittel gekürzt werden, konkret von rund € 220 Mio. auf rund € 150 Mio. Darüber hinaus gibt es im Außenministerium derzeit keine nennenswerten Einsparungen.
Die bis 2026 geplanten Kürzungen sind die stärksten der letzten 20 Jahre. Sie übertreffen sogar die Einschnitte bei der ADA im Gefolge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 (siehe Diagramm). Der Einwand, das EZA-Budget falle nominell „nur“ auf das Niveau vor der COVID-Pandemie zurück, ist insofern irreführend, als Österreich seit 2019 eine kumulierte Inflation von 30% verzeichnete. In tatsächlicher Kaufkraft werfen die aktuellen Kürzungen die bilaterale EZA eher um ein Jahrzehnt zurück. Das Ziel einer Anhebung der ODA-Quote auf 0,7 % des Bruttonationaleinkommens, zu dem sich auch das neue Regierungsprogramm noch vor zwei Monaten bekannte, ist schon jetzt Geschichte.
Quelle: BMF, Eurostat, WIFO Konjunkturprognose (2025 & 2026), eigene Berechnungen.
Von wenig zu noch weniger
Zur Einordnung: Die bilaterale EZA des Außenministeriums ist ein sehr kleiner Posten bei den gesamten Staatsausgaben der Republik: 2024 beliefen sich ADA und AKF mit gesamt knapp € 220 Mio. auf nicht einmal ein Tausendstel derselben (€ 271 Mrd.). Österreich gibt für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen insgesamt gemessen an seiner Wirtschaftsleistung schon jetzt weniger als alle anderen westeuropäischen EU-Länder aus, obwohl es sich laufend zu steigenden Mitteln bekennt. Der AKF ist jenes humanitäre Budget, das etwa für die Versorgung von Kriegsflüchtlingen aus Syrien im Nahen Osten oder für die notleidende Zivilbevölkerung der Ukraine zum Einsatz kommt. Die Vorgängerregierung stockte dieses Budget auf, unter dem Motto: „Hilfe vor Ort“. Jetzt heißt es eher: Sparen vor Ort.
Neben den Kürzungen setzt das Außenministerium in der aktuellen Finanzplanung auch inhaltlich Akzente, die einen genaueren Blick verdienen. So wird etwa eine „Deregulierungsstelle zur Entbürokratisierung“ im Außenministerium eingerichtet (budgetäre Implikation derzeit unklar). €10 Mio sind zudem zur Bewerbung für die Kandidatur Österreichs auf eine nichtständige Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat vorgesehen. Das in den „Teilheften Äußeres“ für 2025 und 2026 neben der „Fortsetzung der raschen humanitären Hilfe“ einzig konkret genannte entwicklungspolitische Vorhaben ist die „Nutzung der Entwicklungszusammenarbeit zur Erschließung neuer Märkte für die heimische Wirtschaft“. Wie dies „unter Erfüllung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs)“ und mit sinkendem Budget gelingen soll, sei dahingestellt.
Aus entwicklungspolitischer Perspektive sind die ersten Pflöcke, die hier eingeschlagen werden, fragwürdig. Anstatt ein Staatssekretariat für Entwicklungspolitik einzurichten, wie es dies in der Vergangenheit bereits gab, betätigt sich das Außenministerium in der Deregulierung. Auch eine Sonderbeauftragte für Humanitäre Hilfe, wie sie die Vorgängerregierung hatte, gibt es nicht mehr. Im ersten – und vielleicht nicht letzten – Sparpaket von Schwarz-Rot-Pink wird der Großteil der außenpolitischen Einsparungen auf die EZA abgewälzt. Die verbleibenden Mittel sollen zugleich stärker in den Dienst der heimischen Wirtschaft genommen werden. Wohlgemerkt: Für die Erschließung von Märkten gibt es bereits andere, finanzstarke staatliche Instrumente vom Austria Wirtschaftsservice (aws) bis zur Österreichischen Kontrollbank (OeKB).
Ein Politikfeld auf der Kippe
Anlass zur Sorge gibt auch der Blick auf den weiteren Budgetpfad. Die Regierungsvorlage für das Bundesfinanzrahmengesetz, das den finanziellen Spielraum der nächsten Jahre absteckt, sieht weitere Kürzungen für den Bereich Äußeres von -6% (2027) und -2% (2028) vor. Sollte die Konjunkturlage diese neuerlichen Einsparungen erzwingen und sich das Burden-Sharing im Außenministerium nicht anders als jetzt gestalten, dann gehen die Kürzungen an die institutionelle Substanz der bilateralen EZA. Sie stellen dann auch die seit 20 Jahren bestehende ADA als Durchführungsorganisation in Frage. Das Risiko eines Kaputtsparens ist hier real.
Fazit? Es ist bitter genug, dass die budgetär ohnehin schon unterdotierte Außenpolitik zur Sanierung des Staatshaushalts beitragen muss. Die Reduktionen gerade bei EZA und humanitärer Hilfe sind ethisch wie strategisch fragwürdig: ethisch, weil sie zulasten der Ärmsten gehen; strategisch, weil sich die Außenministerin gestaltbarer Mittel beraubt. In einer geopolitisch kritischen Zeit müsste eine aktive Außenpolitik die Zusammenarbeit mit dem Globalen Süden stärken, neue Allianzen suchen und die Lücke zu füllen versuchen, die andere Geber aus kurzsichtigen Gründen hinterlassen. Es ginge darum, einen nicht nur symbolischen, sondern substanziellen Beitrag zur Stabilisierung der Krisen in unserer Nachbarschaft und darüber hinaus zu leisten. Dazu braucht es echte außenpolitische Reformkraft.
Eine kürzere Version dieses Beitrags erschien am 24.05.2025 in profil.