Aktueller Kommentar September 2018

Neues Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik – Fortschreibung der verpassten Chancen.

Das am 19. September 2018 dem Ministerrat vorgelegte Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik mit dem Titel „Gemeinsam. Für unsere Welt“ ist die Fortschreibung eines unverbindlichen Bekenntnisses zu allgemeinen Entwicklungszielen. Es trägt zwar im Detail die Handschrift der neuen Außenministerin (Fokus Gleichberechtigung und Förderung von Frauen), bleibt aber im Hinblick auf den Beitrag Österreichs zur Erreichung internationaler Zielsetzungen sehr vage.

Michael Obrovsky (ÖFSE), September 2018

Seit Herbst des Jahres 2017 wurde unter Einbeziehung vieler Bundesministerien und zivilgesellschaftlicher Stakeholder am Dreijahresprogramm gearbeitet. Mit der Konstituierung der neuen Regierung im Dezember 2017 wurden seit Anfang des Jahres einige Schwerpunkte anders gesetzt und die Konturen neu gezeichnet. Obwohl vieles gestraffter formuliert und an die internationale Rhetorik angepasst wurde, enttäuscht das Ergebnis. Weder werden die strukturellen noch die budgetären Probleme der österreichischen Entwicklungspolitik angesprochen, die Anzahl der funktionalen Erwartungen an die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) wurde aber erhöht.

Auch wenn im Dreijahresprogramm die gesamtstaatliche Dimension des Programms besonders betont wird, die vor allem durch eine aktive Einbeziehung aller betroffenen Ressorts, der Wirtschaft, der Wissenschaft und der Zivilgesellschaft in den Entstehungsprozess angestrebt wurde, hat die einseitige redaktionelle Nachbearbeitung durch das Kabinett des Bundeskanzleramts (Erweiterung des Kapitels EZA und Migration und stärkerer Berücksichtigung von Migrationspolitik) vor allem bei der Zivilgesellschaft für Unverständnis gesorgt, da damit die Ergebnisse des partizipativen Erarbeitungsprozesses unter Einbindung der Stakeholder durch das BKA unterlaufen wurde.

Thematische und geografische Schwerpunkte ……

Die Schwerpunktsetzung in der Entwicklungszusammenarbeit auf die fünf Themenbereiche Armutsbekämpfung, nachhaltiges Wirtschaften, Umwelt- und Klimaschutz, Friede und Sicherheit sowie die Gleichberechtigung aller Mitglieder der Gesellschaft ist zwar grundsätzlich zu begrüßen. Es bleibt aber ein Rätsel, warum diese Themen nur für die EZA relevant sein sollen und nicht im Sinne der Sustainable Development Goals (SDGs) Handlungsleitfäden für eine kohärente gesamtstaatliche Politik sein sollen. Bei den thematischen Schwerpunkten fällt aber auf, dass die „Entwicklungspolitische Dimension“ zu kurz kommt und sehr oft nur die Beiträge der EZA angesprochen werden. Hier wird die Programmatik ihrem Anspruch auf Gesamtstaatlichkeit nicht gerecht. Dies wird durch die Unschärfe bei der Verwendung der Begriffe Entwicklungspolitik und OEZA, die sich durch den gesamten Text zieht, noch unterstrichen.

Der Fokus Gleichberechtigung und Förderung von Frauen in der bilateralen und multilateralen Zusammenarbeit ist nicht neu, aber als Schwerunkt der Entwicklungspolitik unbestritten und ein positiver Aspekt der Schwerpunktsetzung des Programms.

Die Schwerpunkte werden mit allgemein formulierten Zielsetzungen und Absichtserklärungen unterfüttert, die aber nicht ausreichen, um hier klare österreichische thematische Strategien zu erkennen. Dazu fehlen einerseits Verknüpfungen mit dem EZA-Budget, aber auch mit anderen Aktivitäten und Maßnahmen der Bundesregierung und anderen Stakeholdern.

Die Verknüpfung mit den SDGs erfolgt bei jedem thematischen Schwerpunkt durch Einfügen einer Grafik oder durch Hinweise, welche SDGs von der thematischen Schwerpunktsetzung in der OEZA abgedeckt werden. Eine Darstellung des universellen Verständnisses des SDG-Ansatzes sowie Verweise auf die Beiträge Österreichs zur globalen Entwicklung fehlen vollkommen. In Summe bleiben die thematischen Schwerpunkte – je nach Thema unterschiedlich – sehr unverbindlich und allgemein.

Die Veränderungen der geografischen Schwerpunkte sehen eine stärkere Fokussierung auf Afrika sowie eine stärkere wirtschaftliche Kooperation mit den Ländern in Südosteuropa und im Südkaukasus vor. Mit der Kategorie Krisenländer und fragile Staaten wird der geografische Handlungsspielraum vor allem für die Humanitäre Hilfe erweitert.

Die Begriffe gesamtstaatlich bzw. gesamtgesellschaftlich haben im vorliegenden Dreijahresprogramm eher einen literarischen bzw. illustrativen als verbindlichen Charakter, da die „gesamtstaatlich definierten thematischen und geografischen Schwerpunkte … von den jeweils zuständigen Ressorts in ihrem eigenen Wirkungsbereich umgesetzt“ werden. Der Verweis auf die interministerielle Koordination der Entwicklungspolitik durch das BMEIA geht wiederum ins Leere, da das BM für Europa, Integration und Äußeres zwar dazu das Mandat hat, aufgrund der Ministerkompetenz anderen Ministerien aber praktisch keine Vorgaben machen kann, wie diese Umsetzung zu erfolgen hat. Das Programm bleibt gänzlich schuldig, wie diese Gesamtstaatlichkeit oder auch Politikkohärenz konkret hergestellt werden soll. Hier suggeriert das Dreijahresprogramm, dass durch die Einbindung vieler Stakeholder und mit Hilfe von Länder- und Regionalstrategien praktisch eine Gesamtstaatlichkeit erzeugt wird.

… machen noch keine Entwicklungspolitik

Dass das Mission Statement vom Beginn des Programms in den Anhang verschoben wurde und dort mit der Überschrift „Gesamtstaatlicher Konsens für Entwicklungspolitik“ bezeichnet wird, irritiert insofern, als damit auch das ODA-Commitment von 0,7% des BNE von der Programmatik in den Anhang verschoben wurde. Im Dreijahresprogramm selbst wird es nicht erwähnt, daher wird auch nicht erklärt, wie und bis wann dieses Ziel erreicht werden soll. Da Österreich das Commitment seit 1970 immer wieder erneuert, aber keine politischen Schritte gesetzt wurden, die Zusage budgetär mit einem verbindlichen Stufenplan abzusichern, verwundert es nicht, dass auch dieses Dreijahresprogramm die Frage nach der Steigerung der österreichischen Official Development Assistance (ODA) offen lässt.
Das Prognoseszenario steht am Ende ohne jede Kommentierung. Weder das Prognoseszenario noch die thematische und geografische Schwerpunktsetzung werden daher dem eigenen Anspruch nach Transparenz gerecht, da die Verknüpfung der einzelnen Instrumente zum Budget bzw. zur ODA Gesamtrechnung nicht erfolgt. Ohne Erläuterungen bleibt das Prognoseszenario ein Annex, der mehr Fragen aufwirft als er beantwortet.

Ein Dreijahresprogramm, das i) eine Verknüpfung der thematischen und geografischen Schwerpunkte mit dem EZA-Budget vornimmt, ii) konkret darauf eingeht, wie eine gesamtstaatliche, kohärente Politik erreicht werden kann, iii) die Kritikpunkte des Development Assistance Committee der OECD an der österreichischen EZA und Entwicklungspolitik berücksichtigt, iv) klare operationalisierbare Ziele, die in Einklang mit den realen budgetären Möglichkeiten der OEZA stehen, formuliert, v) die internationale Dimension der SDGs und ihre entwicklungspolitische Umsetzung in Österreich anspricht, sowie vi) einen verbindlichen Stufenplan zur Erreichung der internationalen Zusagen enthält, wäre ein Fortschritt.

Frau BM Kneissl hat zwar thematische Spuren hinterlassen, strukturelle Änderungen in der Entwicklungspolitik oder der Zusammensetzung der ODA können durch diese Programmatik allerdings nicht eingeleitet werden. Hier wurde wieder eine Chance verpasst, mit Hilfe des Dreijahresprogramms nicht nur allgemeine Konturen der zukünftigen EZA zu skizzieren, sondern auch eine klare Strategie für eine gesamtstaatliche Entwicklungspolitik zu formulieren.

Dr. Michael Obrovsky ist stellvertretender Leiter der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).