Aktueller Kommentar Dezember 2019

Private Spendenbereitschaft zeigt hohes Engagement der Bevölkerung für EZA und Humanitäre Hilfe – Ein Weckruf für die Politik?

Die kontinuierliche Steigerung der privaten Spenden für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und die Humanitäre Hilfe in den letzten zehn Jahren ist ein positives Signal für ein starkes Engagement Österreichs in der globalen Armutsbekämpfung. Eine seit 2012 jährlich von der ÖFSE durchgeführte Erhebung zeigt deutlich, dass die österreichische Bevölkerung für die Unterstützung der Arbeit von Hilfsorganisationen tief in die Geldbörse greift – nicht nur zu Weihnachten.

Von Michael Obrovsky (ÖFSE), Dezember 2019

Private Spenden: beträchtlicher Anstieg seit 2009

Rund 145 Mio € an Eigenmitteln wurden im Jahr 2018 – in Form von Spenden, Mitgliedsbeiträgen, Patenschaften, Legaten und anderen finanziellen Beiträgen der österreichischen Bevölkerung – für die Arbeit nichtstaatlicher Einrichtungen vorwiegend für Armutsbekämpfung und Humanitäre Hilfe im globalen Süden sowie für Bildungs-, Öffentlichkeits- und administrativen Kosten in Österreich verwendet.1 

Trotz leichter Steigerung zum Vorjahr wurde damit das „all time high“ des Jahres 2015 von 147 Mio € nicht erreicht. Dennoch ist das Ergebnis für 2018 bemerkenswert, da es ein Jahr ohne außerordentliche Katastrophen oder Krisen war, also von Faktoren, die meist ein Ansteigen der Spendenbereitschaft auslösen.

Während die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit Österreichs im Jahr 2018 nur 0,26% des BNE betrug bzw. mit rund 990 Mio € weit hinter den internationalen Zusagen lag, zeigt die anhaltende Spendenbereitschaft das in der Bevölkerung vorhandene hohe Engagement für internationale Kooperation.

Grafik: Vergleich private Zuschuesse mit den operativen ODA-Mitteln der ADA

Quelle: ÖFSE

Vergleicht man die Entwicklung der operativen ODA-Mittel der Austrian Development Agency (ADA) für entwicklungspolitisch gestaltbare Programme und Projekte mit der Entwicklung der privaten Zuschüsse in Österreich, dann zeigt sich, dass im Jahr 2008 die ADA-Mittel geringfügig höher als die privaten Zuschüsse waren. Ab 2009 sind die privaten Zuschüsse jedoch stark angestiegen und waren im Jahr 2018 fast um 70% höher als die ADA-Mittel, die seit 2008 nominell um 16% zurückgegangen sind.

Spendenabsetzbarkeit von nachrangiger Bedeutung

Auch wenn diese Zunahme zu einem Teil auf die Einführung der steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden bei der Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer ab 2009 zurückzuführen ist, so lässt sich das Engagement für den globalen Süden nicht wegdiskutieren. Der Spendenbericht 2019 des Fundraising Verbandes zeigt etwa, dass die Gesamtsumme aller abgesetzten Spenden 2018 (für alle Spenden in allen Sektoren) bei rund 215 Mio € lag. Laut Fundraising Verband wird jeder dritte Spendeneuro abgesetzt. Für den Bereich EZA und Humanitäre Hilfe liegen keine detaillierten Zahlen vor. In einer Evaluierung der Spendenabsetzbarkeit in Österreich des NPO-Institutes 2015 wurde festgehalten, dass die Einführung der Spendenabsetzbarkeit 2009 und 2012 zwar zu einem erhöhten Spendenvolumen geführt hat, ein großer Teil des Steuerentfalls kam allerdings nicht bei den Organisationen als zusätzliche Spende an, sondern konnte als Steuerersparnis lukriert werden. Ebenso wurde festgehalten, dass die Spendenabsetzbarkeit kein Motiv für das Spenden an sich darstellt und daher die Auswirkungen auf die Spendenhöhe überschätzt werden und dass „die Einführung oder Ausweitung einer steuerlichen Absetzbarkeit von Spenden in der Regel den Steuerausfall nicht kompensieren kann“. Es ist daher anzunehmen, dass gerade im Bereich der EZA und der Humanitären Hilfe die Steigerung der Leistungen einerseits auf die erfolgreiche Kommunikation der Organisationen über die Notwendigkeit ihrer Arbeit und andererseits auf intensivere und professionellere Fundraising-Aktivitäten zurückzuführen sind. Ein Teil der Zunahme wird aber von der vom BM für Finanzen an die spendensammelnden Einrichtungen ausgelagerten Verwaltung und Meldepflicht der Spendendaten „aufgefressen“ und ein ebenso nicht vernachlässigbarer Teil wird für die erforderlichen Eigenmittelanteile bei Kooperationen mit staatlichen Fördereinrichtungen benötigt.

Falsche Vereinnahmungsversuche …

Die privaten Zuschüsse im Bereich der EZA und der Humanitären Hilfe sind zwar Teil der gesamten Entwicklungsfinanzierung eines Landes, sie sind aber kein Bestandteil der Öffentlichen Entwicklungsfinanzierung – der ODA. PolitikerInnen haben in der Vergangenheit oft bei Kritik an den zu geringen öffentlichen Leistungen auf die ohnehin vorhandenen hohen Leistungen der privaten Einrichtungen verwiesen bzw. die Österreicher als „SpendenweltmeisterInnen“ bezeichnet und somit die privaten Initiativen und Anstrengungen nolens volens vereinnahmt.

Die Position des „Spendenweltmeisters“ wurde regelmäßig in internationalen Vergleichen widerlegt. So zeigt ein aktueller Vergleich des Spendenverhaltens in Europa, dass gemessen am Gesamtaufkommen pro EinwohnerIn – Großbritannien mit 257 € pro Einwohner EuropameisterInnen sind, gefolgt von der Schweiz (196 €) und Norwegen mit 154 €. Österreich liegt mit 78 € pro Kopf im europäischen Mittelfeld (Fundraising Verband 2019). Die Rede vom „Spendenweltmeister“ hält einem Vergleich mit den Fakten schlicht nicht stand und trägt zu einem falschen Bild über das Engagement Österreichs bei der Entwicklungszusammenarbeit und der Humanitären Hilfe bei. Vielmehr hinkt die öffentliche EZA der privaten Spendendynamik seit Jahren hinterher.

… statt politischem Auftrag für mehr ODA

Das Argument, dass die österreichische Bevölkerung mehr Ausgaben im Bereich der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit nicht mittragen würde, lässt sich mit Hilfe der Darstellung der privaten Leistungen im Bereich der EZA und der Humanitären Hilfe durchaus entkräften. Der kontinuierliche Anstieg der Spenden in den letzten 10 Jahren ist ein eindeutiges Signal für das soziale Engagement der ÖsterreicherInnen im globalen Süden. Die Nichtstaatlichen Organisationen sind daher aufgrund ihrer Leistungen nicht nur wesentliche und wichtige Akteure in der EZA und der Humanitären Hilfe, sondern sie können sich auf ein starkes Mandat seitens der Bevölkerung stützen.

Die österreichische Politik sollte daher die steigenden Leistungen der privaten Organisationen nicht vereinnahmen, um die eigenen Schwächen zu verdecken, sondern vielmehr einen Auftrag daraus ableiten, die öffentlichen Mittel für die entwicklungspolitisch gestaltbaren operativen Mittel anzuheben. Die Zahlen zeigen klar, dass der österreichischen Bevölkerung internationale Solidarität ein Anliegen ist.

1 ÖFSE-Erhebung 2019 im Auftrag der ADA. Die erhobenen Daten sind eine Untergrenze, da davon ausgegangen werden muss, dass die tatsächlich erbrachten Leistungen höher sind, da keine 100% Erfassung aller Organisationen möglich ist. Die Erhebung beruht allerdings auf einer über die Jahre vergleichbaren Basis an Organisationen und Einrichtungen in Österreich.