Aktueller Kommentar Jänner 2018
„Blended Finance“: Ein neues Wundermittel der Entwicklungsfinanzierung?
In die Bündelung von kommerziellen Finanzmitteln mit öffentlichen EZA-Geldern (Blending) zur Finanzierung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) werden derzeit große Hoffnungen gesetzt. Aber halten diese Hoffnungen auch einem nüchternen Blick stand? Eine Einschätzung…
Von Karin Küblböck (ÖFSE), Jänner 2018
2015 wurden mit der Agenda 2030 und den Sustainable Development Goals ambitionierte Ziele für nachhaltige Entwicklung formuliert. Erstmals gelten diese nicht nur für Entwicklungsländer, so wie die Vorgängerziele, die Millennium Development Goals (MDGs), sondern für alle Länder. Während die MDGs auf soziale Zielsetzungen fokussierten, geht es bei den SDGs auch um ökologische Nachhaltigkeit, wirtschaftliche Entwicklung und Industrialisierung.
Es gibt einen Konsens, dass die Erfüllung der SDGs vor allem im Bereich der Infrastruktur massive Investitionen benötigen wird – sei es etwa bei Energie, Transport oder Kommunikation. Der globale Finanzierungsbedarf dafür wird von dem – aufgrund einer G20-Initiative – neu gegründeten Global Infrastructure Hub auf 97 Billionen Euro geschätzt. Um die SDGs zu erreichen, werde sich der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen in Afrika bis 2040 von 1,7 auf 3,3 Billionen Euro verdoppeln. Da diese Mittel allein aus öffentlichen Ressourcen nicht aufgebracht werden können, wird vermehrt auf Kooperationen mit dem Privatsektor gesetzt, um diese Finanzierungslücken zu füllen, nach dem Motto „move from billions to trillions“.
In diesem Zusammenhang kommt dem Thema „Blending“ eine wichtige Bedeutung zu. Darunter versteht man im Allgemeinen eine Kombination aus öffentlichen Zuschüssen mit privaten oder öffentlichen Krediten. Verschiedene Institutionen verwenden allerdings unterschiedliche Ansätze, Instrumente und Definitionen, was einen systematischen Überblick erschwert. Die Mitgliedsstaaten der OECD haben sich Ende 2017 auf eine gemeinsame Definition für Blending im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit geeinigt, als: „strategische Verwendung von Entwicklungsfinanzierung für die Mobilisierung von zusätzlichen Finanzmitteln für die SDG-Erreichung; ‚zusätzliche Finanzierung‘ bezieht sich dabei vor allem auf kommerzielle Finanzmittel, die aktuell keine Entwicklungsziele verfolgen“.
Die Europäische Union als zentraler Akteur
Blending-Instrumente werden von Entwicklungsbanken und internationalen Finanzinstitutionen in den letzten Jahren zunehmend eingesetzt. Zwischen 2000-2016 sind insgesamt 167 Blending-Fazilitäten geschaffen worden, der Großteil davon seit 2010. Die Europäische Union ist dabei – vor allem über die Europäische Investitionsbank EIB - ein zentraler Akteur. In den letzten 10 Jahren wurden sieben Blending-Fazilitäten ins Leben gerufen. Im Herbst 2016 kündigte die Europäische Kommission die Gründung des European External Investment Plan (EIP) an. Dieser soll ein „neues Kapitel“ der EU-Entwicklungspolitik begründen. Im Rahmen des EIP soll ein neuer Fond (European Fund for Sustainable Development - EFSD) geschaffen werden, in dem die Blending-Fazilitäten für Afrika und für die EU-Nachbarstaaten mit einem Garantiemechanismus kombiniert werden. Der EIP soll "Bedingungen schaffen, durch die Europäer ihr Geschäft ausweiten und in neuen Ländern aktiv werden können, während sie die Volkswirtschaften und Gesellschaften der Partnerländer sowie die strategischen außenpolitischen Ziele der Europäischen Union – von Sicherheit bis zur globalen Entwicklung – unterstützen". Die EU plant, mit einem Beitrag von 4,1 Milliarden Euro einen Hebeleffekt von 44 Mrd. Euro zu erreichen.
Was ist die Motivation hinter den verstärkten Blending-Initiativen?
Die steigende Bedeutung von Privatsektorfinanzierung in der EZA kann einerseits im Zusammenhang mit sinkenden öffentlichen Mitteln – u.a. aufgrund von Austeritätsprogrammen nach der Finanzkrise 2008 – gesehen werden. Auf der anderen Seite gibt es ein großes Volumen an privatem Kapital, das nach Anlagemöglichkeiten sucht. Durch Blending-Mechanismen soll privates Kapital in Sektoren und Projekte kanalisiert werden, bei denen der soziale oder ökologische Nutzen besonders hoch ist, und somit zu einem höheren Entwicklungseffekt führen, als es dies ohne öffentliche Zuschüsse der Fall gewesen wäre („Additionalität“).
Ein weiterer möglicher Zusammenhang liegt im zunehmenden Wettbewerb mit China. China verwendet eine Reihe von Instrumenten, um Investitionen in verschiedenen Sektoren in Entwicklungsländern zu unterstützen. Dies erhöht die Chancen chinesischer Investoren, etwa bei Ausschreibungen zu gewinnen. „There is anecdotal evidence suggesting that a Chinese companies’ access to state guaranteed loan and capital swung the deal in mining bids”. Zwischen 2000 und 2015 hat China 94 Milliarden USD an Krediten für afrikanische Länder bereitgestellt, u.a. in Form von Exportkrediten, mit einem starken Fokus auf Infrastruktur. 2015 wurden weiter, 60 Milliarden zugesagt.
Herausforderungen und Grenzen
Eine 2016 durchgeführte Evaluierung von Blending als Instrument der EU-Entwicklungszusammenarbeit kommt zu dem Schluss, dass die EU durch Blending einen strategisch wichtigen Vorteil, insbesondere bei der Unterstützung großer Infrastrukturprojekte und der Zusammenarbeit mit Ländern im Übergangs- und mittleren Einkommensbereich erzielen konnte. In dem Bericht wird gleichzeitig festgehalten, dass Entwicklungseffekte der Projekte sowie Faktoren wie Beschäftigung und Armutsminderung zu wenig im Blickfeld standen. Zudem vermissten die Evaluatoren oft eine explizite Verbindung zwischen den Projektzielen mit den Zielsetzungen und Prioritäten der Partnerländer.
Die Ergebnisse dieser Evaluierung und einer Reihe von anderen Berichten legen nahe, dass, wenn Blending-Instrumente entwicklungspolitischen Zielsetzungen (Armutsminderung, Entwicklungseffekt, Additionalität, Ownership & Alignment) gerecht werden sollen, diese von Beginn an stärker in der Konzeption und im Design der Projekte verankert werden müssen. Voraussetzung dafür sind auch eine höhere Transparenz der Instrumente sowie gemeinsame Definitionen.
Als ersten Schritt in diese Richtung hat die OECD „Blended Finance Principles“ formuliert und veröffentlicht Ende Jänner 2018 einen Bericht „Making Blended Finance work for the SDGs", in dem Definitionen und Konzepte dargestellt und Einsichten in bisherige Erfahrungen sowie Empfehlungen gegeben werden.
Grundsätzlich muss jedoch auch die Frage gestellt werden, wie viele jener Projekte, die für die Erfüllung der SDGs wichtig sein werden, durch private Mittel finanziert werden können, bzw. wie hoch die dafür nötigen öffentlichen Zuschüsse und Risikoübernahmen sind. Die Euphorie der Verwandlung von „billions into trillions“ vergisst, dass nur ein kleiner Teil der für die SDG-Erreichung nötigen Investitionen, insbesondere in den ärmsten Ländern, ausreichend hohe Renditen erzielen wird, um für den Privatsektor interessant zu sein. Zuschüsse aus Mitteln der Entwicklungszusammenarbeit, die in Blending-Instrumente fließen, stehen aber – ohne eine substantielle Erhöhung der Gesamtmittel – für andere Projekte nicht mehr zur Verfügung. Zudem gilt es im Lichte der Schuldenkrisen der letzten drei Jahrzehnte zu verhindern, dass die Finanzierung von öffentlicher Infrastruktur durch relativ teure Kredite aufgrund mangelnder Rückzahlungskapazitäten zu neuen Verschuldungsproblemen führt.
Karin Küblböck hielt im November 2017 bei der UNCTAD Debt Management Conference einen Vortrag u.a. zu Blending mit dem Titel „Will SDG financing efforts contribute to a new debt crisis? Die PPT-Präsentation kann hier abgerufen werden.