Aktueller Kommentar November 2023
2024: Drohende Trendumkehr bei Österreichs EZA-Ausgaben

Österreich steigerte die öffentlichen Ausgaben für Entwicklungszusammenarbeit seit Beginn der schwarz-grünen Regierung graduell von 0,30% des Bruttonationaleinkommens im Jahr 2020 auf 0,33% im Jahr 2023. Warum 2024 alles anders kommt.
Von Lukas Schlögl (ÖFSE), November 2023
Steigerungen bei der humanitären Hilfe, bei der Anrechnung von Aktivitäten der Österreichischen Entwicklungsbank (OeEB), die Dotierung multilateraler Finanzierungstöpfe und die Berücksichtigung von Ausgaben im Asylwesen machten es möglich: In den letzten Jahren waren – zum Teil substanzielle, zum Teil eher virtuelle – Steigerungen der sogenannten ODA-Quote Österreichs zu verzeichnen. Die Quote misst den Anteil, den alle öffentlichen Aufwendungen für Zwecke der globalen Entwicklung (Official Development Assistance, ODA) gemessen an der jährlichen Wirtschaftsleistung ausmachen.
Dreifacher Rückenwind
Österreichs ODA hatte in den letzten Jahren dreifach Rückenwind. Dem Ukraine-Krieg geschuldet wurden 2022 mehr als EUR 200 Mio. für die Betreuung Asylsuchender als ODA verbucht. Dadurch erreichte Österreich vergangenes Jahr eine ODA-Quote von 0,39% und bewegte sich fast schon in einer Größenordnung, die die ODA zuletzt 2016 aufgrund von Fluchtbewegungen aus Syrien erreicht hatte. Da Asylkosten laut Richtlinien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) nur im ersten Jahr der Grundversorgung anzurechnen sind, handelt es sich hier um kurzfristig wirkende Effekte. Ebenfalls globalen Krisen geschuldet war eine sukzessive Aufstockung des Etats für humanitäre Hilfe, die mit einer Sonderdotierung des Auslandskatastrophenfonds (AKF) von über EUR 100 Mio. im Jahr 2022 ihren vorläufigen Höhepunkt erreichte.
Weiteren Rückenwind gaben bis ins heurige Jahr hinein Beiträge an multilaterale Organisationen, die unter anderem aufgrund längerer Intervalle bei der Wiederbefüllung von Finanztöpfen immer wieder Schwankungen unterliegen. So lagen 2023 etwa die Beiträge an Internationale Finanzinstitutionen mit fast EUR 400 Mio voraussichtlich deutlich über dem Mittel der letzten Jahre. Auch neue Dotierungen wie die des Green Climate Fund durch das Klimaministerium spielen eine – wenn auch untergeordnete – Rolle bei der multilateralen ODA. Dämpfend wirken sich das Auslaufen der EU-Türkei Flüchtlingsfazilität und des UN-Einsatzes in Mali aus.
Im Bereich sogenannter Privatsektorinstrumente (PSI) schließlich machte sich die Einführung dieser relativ neuen ODA-Komponente durch einen steilen Anstieg im Volumen von gut EUR 20 Mio. im Jahr 2019 auf über EUR 100 Mio. im Jahr 2022 bemerkbar. Dabei erlaubten es provisorische Melderichtlinien, den Gesamtwert von Krediten ohne Rücksicht auf deren Vergünstigung im Vergleich zu Marktkonditionen als ODA zu melden. Nach Auslaufen dieses Provisoriums werden PSI in Zukunft wie alle anderen ODA-Leistungen „zuschussäquivalent“ erfasst. Der steile Anstieg dürfte damit bald ein Ende finden.
Abbildung 1: Österreichs ODA-Quote im europäischen Vergleich

Trendumkehr
Nun dreht der Wind. Laut jüngsten Schätzungen des Finanzministeriums (BMF) gab Österreich im heurigen Jahr nur noch 0,33% seines Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aus. Das ist zwar weniger als im Ukraine-Jahr 2022 und auch weniger als die Hälfte des internationalen Finanzierungsziels von 0,7%, zu dem sich seit den 1970er-Jahren viele österreichische Bundesregierungen – einschließlich der amtierenden – bekannten. Aber es sind zumindest 0,03%-Punkte mehr als Österreich zu Beginn der Legislaturperiode ausgegeben hatte. Mit etwas Durchhaltevermögen könnte man auch mit kleinen Steigerungen den Weg in Richtung höherer Ambitionen beschreiten.
Die Regierungsperiode endet laut Budgetprognose jedoch mit einer Trendumkehr. 2024 wird Österreich nach der jüngsten BMF-Schätzung mit einer ODA-Quote von 0,27% auf das Niveau von 2019 zurückfallen. Der im Regierungsprogramm angekündigte Anlauf, die Entwicklungsgelder “schrittweise“ in Richtung 0,7% des BNE zu erhöhen, ist damit gescheitert – und zwar nicht, weil die ODA hinter 0,7% zurück bleibt – damit war zu rechnen – sondern, weil die deklarierte Ambition verfehlt wird, dem Ziel ein Stückchen näher zu kommen. Budgeterhöhungen bei AKF und Austrian Development Agency (ADA) reichten nicht aus, um die Quote konstant zu halten.
Damit nicht genug, zeigt die weitere Budgetprognose des Finanzministeriums einen Stufenplan ins Tiefgeschoss der ODA-Quote: auf 0,23% im Jahr 2027, wenn man die – mehrfach aufgeschobene und weiterhin fragliche – Abwicklung der Sudan-Entschuldung beiseitelässt. Um auf dieses Ausgabeniveau zu gelangen, muss man in den Geschichtsbüchern der EZA schon 20 Jahre zurück zur Regierung Schüssel I gehen. Auch die Steigerungen des AKF könnten laut längerfristiger Budgetprognose teilweise zurückgenommen werden (Prognose 2025: EUR 60 Mio.).
Gute Absichten, schlechte Finanzierung
Man mag einwenden, dass sich die ODA-Prognosen des BMF in der Vergangenheit nicht immer als zuverlässig erwiesen haben (ein Thema, das eine eigene Analyse verdient hätte). Ein Blick in den Bundesfinanzrahmen verrät jedoch, dass außerhalb der Bereiche Pensionen und Verteidigung in den nächsten Jahren tatsächlich realistisch mit Budgetkonsolidierung zu rechnen ist, besonders im Außenministerium.
Statt via ODA stärker in globale Präventionsmaßnahmen und Krisenbewältigung, ökonomischen Ausgleich und internationale Partnerschaften zu investieren, sind die Segel des Staatsschiffes in Richtung einer Militarisierung der Ausgaben gesetzt (Stichwort: Landesverteidigungs-Finanzierungsgesetz). Diese Richtungsentscheidung fußt auf einer Verengung des Sicherheitsbegriffs, die übersieht, dass EZA und humanitäre Hilfe ein wesentlicher Beitrag zu einem weiter verstandenen Begriff von menschlicher Sicherheit sein könnten.
Im europäischen Vergleich platziert sich Österreich mit der Entwicklung seiner ODA-Quote gewissermaßen in einer eigenen Liga: abgehängt sowohl von den nord- als auch den westeuropäischen Staaten auf der einen Seite; die Geber Süd- und Ost-Europas aber weiterhin übertreffend. Bezeichnender noch als diese geografischen Unterschiede bleibt jedoch eine andere beharrliche Diskrepanz: diejenige zwischen Ausgaben und politischer Rhetorik. Dass das 0,7%-Ziel in Österreich als unverbindliches Glaubensbekenntnis verstanden wird, mag kulturell erklärbar sein – ist aber letztlich Ausdruck eines demokratischen Scheiterns.
Dr. Lukas Schlögl ist Senior Researcher an der Österreichischen Forschungsstiftung für Internationale Entwicklung (ÖFSE).
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