Aktueller Kommentar Oktober 2018
Vorschlag der EU-Kommission für eine Afrika-Europa Allianz für nachhaltiges Investment und Arbeitsplätze.


Eine wichtige Initiative, die aber Antworten zu entscheidenden Fragen schuldig bleibt
Die Europäische Kommission hat am 12. September 2018 eine neue „Afrika-Europa Allianz für nachhaltiges Investments und Jobs“ (COM(2018) 643 final) veröffentlicht. Die Allianz wird als radikaler Wandel in der Logik der Beziehungen zwischen Europa und Afrika verstanden. Afrika wird nicht mehr als Almosenempfänger und Krisen-, Konflikt- und Armutskontinent definiert, sondern das wirtschaftliche Potenzial und die Mobilisierungsmöglichkeiten des Privatsektors werden in den Vordergrund gerückt. Der neue Ansatz ist einerseits eine Antwort auf das rasch steigende Bevölkerungswachstum in Afrika sowie auf den dadurch entstehenden Migrationsdruck und andererseits sollen Wachstum, Arbeitsplätze und Einkommen mit Hilfe des Privatsektors generiert werden, um für die anwachsende Bevölkerung Zukunftsperspektiven vor Ort zu schaffen. Da die Mittel der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit nicht ausreichen, um nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Gang zu setzen, setzt man nun verstärkt auf die Privatwirtschaft.
Von Michael Obrovsky und Werner Raza (ÖFSE), Oktober 2018
Eine Allianz …
Die Allianz wird von der Politik als Weiterentwicklung der EU-Partnerschaft mit Afrika angepriesen. Auch Österreich veranstaltet im Rahmen seiner EU-Ratspräsidentschaft am 18. Dezember 2018 ein EU-Afrika Forum mit dem Schwerpunkt Wirtschaft und Digitalisierung, bei dem unter anderem VertreterInnen afrikanischer Start-Ups innovative digitale Lösungen für lokale Probleme vorstellen werden. Eingebettet ist das Forum in das zentrale Motto der österreichischen EU-Präsidentschaft „Ein Europa, das schützt“, bei dem „Sicherheit und Kampf gegen die illegale Migration, Sicherung des Wohlstandes und der Wettbewerbsfähigkeit durch Digitalisierung“ und „Stabilität in der Nachbarschaft“ im Vordergrund stehen. Mit Hilfe des Privatsektors soll nun sowohl Afrika als auch Europa von der neuen Allianz profitieren – eine win-win Situation, mit der die politischen, ökonomischen und sozialen Barrieren für eine afrikanische Entwicklung beseitigt werden sollen.
In den Medien wird mit diesem Paradigmenwechsel bereits das Ende einer auf Almosen basierten Entwicklungshilfe begrüßt und ihre Einstellung gefordert. Dabei wird aber übersehen, dass wirtschaftliche Entwicklung immer auch zentrales Element der internationalen Entwicklungszusammenarbeit (EZA) war. So bestand etwa der größte Teil der bilateralen EZA in Österreich in den 1980er-Jahren in der Förderung von Exportfinanzierungskrediten österreichischer Firmen. Traditionell besteht ein wichtiges Ziel der europäischen Entwicklungshilfe auch in der Integration der sogenannten Entwicklungsländer in den Weltmarkt. Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit gibt es seit ihrem Bestehen, zumal die wirtschaftliche Zusammenarbeit in den 1970er- und 1980er-Jahren nicht zu der ursprünglich intendierten nachholenden wirtschaftlichen Entwicklung geführt hat. Allerdings waren nicht nur die Erwartungen an die internationale Entwicklungszusammenarbeit weit überzogen, sondern mittlerweile weiß man, dass ein rein wachstumsbasiertes Wirtschaftsmodell ohne systematische Berücksichtigung der Umwelteffekte grundsätzlich zu kurz greift. Die Synthese der Erfahrungen von 60 Jahren internationaler Politik in den Bereichen Entwicklungszusammenarbeit, Klimaschutz, Menschrechte und globaler wirtschaftlicher Zusammenarbeit wurde in den 2015 von den Vereinten Nationen beschlossenen Sustainable Development Goals (SDGs) zusammengeführt, die als Referenzrahmen für die strategische Ausrichtung zukünftiger globaler Kooperation dient.
…. für nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung …
Wenn die Afrika-EU Allianz für nachhaltiges Investment und Arbeitsplätze die Grundlage für ein stärkeres und effektiveres Engagement Europas in Afrika werden soll, dann bleibt die Mitteilung der Kommission unter anderem schuldig, wie das konkret funktionieren soll. Obwohl zu Beginn sowohl die SDGs, die Agenda 2063 der Afrikanischen Union, als auch der Europäische Konsens über Entwicklung und die Global Strategy der EU als Bezugsrahmen definiert werden, besteht der Kern der Allianz darin, dass der Privatsektor mit Hilfe von öffentlichen Mitteln aus europäischen Finanzinstitutionen „mobilisiert“ werden soll, in Afrika zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Mit Hilfe von blending sowie mit Garantien sollen Mittel des Kapitalmarktes „gehebelt“ werden, um das Investitionsrisiko zu reduzieren und Zugang zu frischen Finanzmitteln zu schaffen. Auch wenn ein Pfeiler der Allianz „Investitionen in Bildung und arbeitsmarktgerechte Qualifikationen“ ist, mit dessen Hilfe rund 750.000 Menschen bis 2020 ihre Qualifikationen für den Arbeitsmarkt verbessern sollen und die EU die „African Union Skills Initiative“ sowie die Mobilität afrikanischer Studierender innerhalb des afrikanischen Kontinents (African „Erasmus“) fördern wird, bleibt der in der Mitteilung der Kommission angeführte Finanzrahmen dafür überschaubar. Für die Zeit zwischen 2018 und 2020 wurden weitere EUR 63 Mio. für das Programm zugesagt. Das EU-Budget 2021-2017 wird derzeit erst diskutiert, sodass für die Bildungsoffensive in Afrika für den Zeitraum ab 2020 keine konkreten Daten zur Verfügung stehen. Der in der Allianz angekündigte Abbau von Handelsbarrieren und der Aufbau von fairen Handelsbeziehungen innerhalb Afrikas und mit der Europäischen Union, gibt jedoch keine Auskunft darüber, wie vor allem die bestehenden systemischen Hindernisse abgebaut werden sollen. Nimmt man beispielsweise die Ergebnisse einer erst in den letzten Tagen veröffentlichten Studie der London School of Economics her, dann zeigt sich, dass aufgrund von Doppelbesteuerungsabkommen ein „Großteil von Afrikas Steuern in Europa landet“, also die lokale Produktion ausländischer Investoren nur zu einem geringen Teil in Afrika besteuert wird. Die Gewinner sind neben den Investoren vor allem die Finanzämter in Europa. Ebenso bleibt unklar, ob die avisierten Direktinvestitionen an Rahmenbedingungen wie die politisch stark umstrittenen Investitionsabkommen gebunden werden sollen. Wenn ja, sind angesichts der einschlägigen ambivalenten Erfahrungen Konflikte mit den afrikanischen Partnern vorprogrammiert.
Die EU hat sich schon im Vertrag von Maastricht 1992 zu einer kohärenten Politik im Dienste der Entwicklung bekannt. Entscheidend wäre es im Kontext einer neuen EU-Investitionsstrategie für Afrika, diese die afrikanischen Partner strukturell benachteiligenden Rahmenbedingungen zu verändern. Dazu finden sich im Kommissionspapier leider keine Ausführungen.
... braucht Investitionen zum Aufbau lokaler Produktionsstrukturen, aber auch Transparenz und Rechenschaftspflicht
Aus einer entwicklungspolitischen Perspektive ist klar, dass es sowohl ein „important package of financial resources“ als auch den Privatsektor braucht, um in Afrika Perspektiven und Arbeit zu schaffen. Es ist aber zweifelsfrei auch wichtig, die Verwendung der Mittel im Sinne der SDGs sicher zu stellen. Die Kritik an der Entwicklungszusammenarbeit konzentrierte sich vorwiegend darauf, dass mit ihr autoritäre Regierungen an der Macht gehalten wurden und aufgrund der allgegenwärtigen Korruption die Entwicklungszusammenarbeit weitgehend unwirksam blieb. Gerade schlechte Regierungsführung und Rechtsunsicherheit werden als Hindernisse für die fehlenden Investitionen angesehen. Nun hat sich an den politischen Rahmenbedingungen in der jüngsten Vergangenheit kaum etwas verändert, und Investoren gehen vor allem in politisch stabile Länder, unabhängig davon, ob die Regierungen demokratisch legitimiert sind oder nicht. Ebenso bleiben in der neuen Allianz Fragen der Menschenrechte, der demokratischen Legitimierung der Regierungen, ökologische Aspekte der Produktion sowie Verteilungsfragen oder Arbeitsrechte ausgeklammert. Damit verdichtet sich der Eindruck, dass die Allianz vor allem eine Reaktion auf den China-Afrika Gipfel Ende August 2018 darstellt, bei dem China für die nächsten Jahre weitere USD 60 Mrd. an Krediten in Aussicht gestellt hat. Um den Zugang zum afrikanischen Markt offen zu halten, braucht es daher vor dem Auslaufen des Cotonou-Vertrags ein positives Signal an Afrika, zumal China im Aufbau der bilateralen Beziehungen sowohl finanziell als auch politisch stark aufgeholt hat.
Aus entwicklungspolitischer Perspektive folgt diese Allianz dem in den letzten 30 Jahren dominanten Konzept wirtschaftlicher Entwicklung, das die Bedeutung ausländischer Direktinvestitionen in den Mittelpunkt stellt, ohne die entscheidende Frage im Detail zu erörtern, wie dieses Geld zur Diversifizierung von Produktionsstrukturen und zur Stärkung inländischer Produktionskapazitäten und capabilities beitragen kann. Ebenso wenig wird die Frage erörtert, welche Governance Strukturen und Formen der Zusammenarbeit zwischen Privatsektor und Staaten es braucht, um die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen, damit nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Afrika stattfinden kann. Entwicklung wird in dem Dokument vor allem auf die Frage fehlender Finanzmittel reduziert. Die technische Abwicklung der Finanzmittel über Entwicklungsbanken, Fonds und andere Instrumente gewinnt zulasten einer systemischen Sichtweise wie wirtschaftliche Entwicklung gelingen kann an Bedeutung. Zu betonen ist auch, dass die Verwendung von Geldern der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit für die Mobilisierung von privaten Investitionen an die Einhaltung von Prinzipien der öffentlichen Rechenschaftspflicht und der Transparenz neben anderen einschlägigen safeguards gebunden werden müssen, damit die finanziellen Mittel auch entsprechend der SDGs eingesetzt werden.
Eine Allianz der EU und Afrika für nachhaltige Investitionen und Jobs kann ein Neubeginn für eine gemeinsame Gestaltung der Beziehungen sein. Das vorliegende Strategiepapier bleibt aber Antworten auf dafür entscheidende Fragen schuldig.
Dr. Michael Obrovsky, Stellvertretender Leiter der ÖFSE
Arbeitsschwerpunkte: Österreichische und internationale Entwicklungspolitik und Entwicklungszusammenarbeit, Zivilgesellschaft und Entwicklung
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Dr. Werner Raza, Leiter der ÖFSE
Arbeitsschwerpunkte: Internationaler Handel, Entwicklungsökonomie und -politik
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